Viele Menschen verbringen ihr halbes Leben am Arbeitsplatz. Grünzeug bringt Abwechslung zu Bildschirmen - das ist gut fürs Hirn und fördert abstraktes Denken.

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Geld für Pflanzen auszugeben ist Verschwendung. Das muss sich jedenfalls David Cameron 2010 nach seiner Wahl zum Premierminister gedacht haben. 40.000 Pfund betrug die Rechnung beim Gärtner für das Grünzeug in Büros und für offizielle Anlässe - viel zu viel, das müsse aufhören.

Camerons Entscheidung fand bei den Vertretern des "lean office", also des "schlanken Büros", große Anerkennung. Die sind schon seit dem 18. Jahrhundert der Meinung, dass produktive Arbeit eine Umgebung ohne jegliche Störung brauche. Arbeitsplätze sollten frei von Pflanzen, Bildern, Andenken, Essen oder sonstigem Zeug sein, um eine maximale Produktivität zu erreichen.

Produktivere Mitarbeiter

Doch da irren der britische Premierminister und die Vertreter des schlanken Büros, wie eine neue Studie von den Universitäten in Cardiff, Groningen und Queensland zeigt: Mit Pflanzen im Büro fühlen sich Angestellte nicht nur besser, sondern sie arbeiten auch produktiver (Journal of Experimental Psychology 2014, Band 20, Seite 199).

"Arbeitnehmer erzählen mir schon seit längerem, dass sie sich mit Pflanzen wohler fühlen", sagt Hans Drexler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin und Chef-Arbeitsmediziner an der Uni Erlangen-Nürnberg, "aber dass man damit auch besser arbeitet, ist neu."

Die Forscher haben sich einen komplizierten Studienaufbau ausgedacht. Zum einen haben sie drei Untersuchungen in verschiedenen Büroumgebungen mit insgesamt 181 Teilnehmern durchgeführt: Zwei bei einer Unternehmensberatung in London und eine in einer Krankenversicherung im niederländischen Zwolle.

Zum anderen verglichen die Forscher jeweils zwei Arbeitnehmergruppen im Zeitverlauf: Beide Gruppen begannen, in einem "nackten" Büro zu arbeiten. Nach einigen Wochen wurden bei der einen Gruppe Pflanzen ins Büro gestellt. "Durch diesen Studienaufbau hat man nicht nur einen Vergleich zwischen verschiedenen Angestellten, sondern auch beim gleichen Individuum über die Zeit", sagt Drexler, "damit bekommt man ziemlich valide Aussagen."

Regelrechtes Aufputschmittel

In Fragebögen beantworteten die Teilnehmer vor Studienbeginn, nach Wochen und nach einigen Monaten standardisierte Fragen zu ihrem Wohlbefinden und ihrer subjektiven Arbeitsleistung. In einem Teilprojekt mussten die Mitarbeiter Aufgaben absolvieren, mit denen auch objektiv ihre Produktivität gemessen wurde. Pflanzen schienen ein regelrechtes "Aufputschmittel" zu sein.

Leute in den grünen Büros konnten sich besser konzentrieren, waren zufriedener und empfanden die Luftqualität als besser. Die Mitarbeiter gaben nicht nur subjektiv an, produktiver gearbeitet zu haben, sondern schnitten auch in den objektiven Tests besser ab: Sie erledigten die Testaufgaben schneller mit weniger Fehlern.

"Dass man in Büros mit Pflanzen besser arbeitet, lässt sich erklären", sagt Hartmut Schulze, Arbeits- und Organisationspsychologe an der Hochschule für Angewandte Psychologie (FHNW) im schweizerischen Olten. "Schauen wir nach draußen oder lassen wir den Blick durch den Raum schweifen, aktiviert das benachbarte Hirnbereiche, und wir können abstrakter denken und bessere Ideen generieren", erklärt Schulze.

Grün als Inspirationsquelle

Ähnlich sei das bei Pflanzen, denn die brächten Abwechslung in ein spartanisch und monoton eingerichtetes Büro. "Wir schauen quasi nebenbei auf die Pflanzen, und das könnte sich positiv auf unseren Gedankenstrom auswirken. Die Aufmerksamkeit wird sozusagen in natürlicher, grüner Umgebung inspiriert." Die Mitarbeiter in den grünen Büros könnten aber auch deshalb besser arbeiten, weil sie mehr Wertschätzung vom Chef spüren: "Lässt der die Büros begrünen und Mitarbeiter über die Pflanzen mitentscheiden, fühlen sie sich umsorgt", sagt Schulze, "im Gegenzug arbeiten sie mit mehr Freude und Engagement."

Große Firmen, sagt Arbeitsmediziner Drexler, würden immer häufiger Büros von einem Team aus Architekten, Gärtnern und Arbeitsmedizinern gestalten lassen. "Das können sich Mittelständler aber meist nicht leisten", sagt Drexler. Denen empfiehlt er, die Mitarbeiter ihr Büro selbst begrünen zu lassen. "Jeder hat schließlich seine eigenen Vorlieben. Nur auf Ficus Benjamini oder Primel würde ich verzichten, weil das Allergien auslösen kann."

Raumklima besser?

Immer wieder suggerieren Studien, Pflanzen würden das Raumklima verbessern, indem sie Schadstoffe entgiften - das solle einen besser arbeiten lassen. "Das ist aber ein Trugschluss", sagt Umweltmediziner Drexler. "Natürlich entgiften Pflanzen bestimmte Stoffe, aber das ist Homöopathie im Vergleich zum menschlichen Körper. Der kann viel besser entgiften."

Gleichzeitig solle man aber die subjektiv empfundenen Wahrnehmungen ernst nehmen, sagt Schulze. "Wenn man meint, das Raumklima sei mit Pflanzen besser, kann allein das schon ausreichen, damit man sich besser konzentrieren kann." Drexler räumt noch mit einem anderen Mythos auf: "Bildet sich ein bisschen Schimmel in Topfpflanzen, ist das nicht schlimm. Um krank zu werden, braucht es große Schimmelpilzflächen.

Ein Blick ins Grüne ist immer erfreulich, besonders im Büro. Viele Menschen verbringen ihr halbes Leben am Arbeitsplatz. Grünzeug bringt Abwechslung zu Bildschirmen - das ist gut fürs Hirn und fördert abstraktes Denken. (Felicitas Witte, DER STANDARD, 10./11.2015)