Viele werden es wohl noch gar nicht gemerkt haben. Wer nicht regelmäßig mit dem Auto fährt, realisiert nicht gleich, dass der Pumpenpreis für Treibstoffe heute niedriger ist als vor zehn Jahren. Während man vor einem Jahr noch knapp eineinhalb Euro für den Liter Super zahlen musste, ist jetzt nicht viel mehr als ein Euro fällig.

Für Vielfahrer ist das eine äußerst erfreuliche Nachricht: Wer mehrere 10.000 Kilometer pro Jahr fährt, erspart sich an der Zapfsäule leicht mehr, als ihm die erwartete Steuerreform bringen kann.

Man weiß ja ohnehin: Viel erwarten sich die Österreicher nicht mehr von dieser Reform - viele sind schon froh, wenn sie von der Koalition nicht noch mehr belastet werden als bisher. Andererseits weiß man auch in der Regierung, dass die versprochenen Entlastungen nicht so einfach zu finanzieren sind. Zwischen SPÖ und ÖVP wird seit Monaten gefeilscht, wie man die Gegenfinanzierung organisieren kann, ohne der jeweils eigenen Klientel allzu sehr wehzutun.

Dabei wird übersehen, dass das Geld im wahrsten Sinn des Wortes auf der Straße liegt. Es ist kein Naturgesetz, dass Sprit an der Tankstelle billiger werden muss, wenn auf den Rohstoffmärkten der Ölpreis fällt. Bei außerordentlichen Preissenkungen wie jenen der vergangenen Monate könnte der Staat ohne großen Aufwand eine Windfall-Profit-Tax einheben und die Verbilligung wegsteuern - ohne dass das irgendjemandem groß auffiele: Der Pumpenpreis bliebe ja gleich. Doch mit den zusätzlichen Einnahmen könnte bereits ein erheblicher Teil der geplanten Senkung der Einkommenssteuer finanziert werden.

So würde Arbeit entlastet und der Verbrauch der aus ökologischen Gründen - wegen des CO2-Ausstoßes, aber auch wegen Zersiedelungs- und Versiegelungseffekten durch den Straßenverkehr - unerwünschten fossilen Energie im Straßenverkehr nicht auch noch begünstigt. Das entspricht dem, was seit 40 Jahren von allen Parteien mehr oder weniger ernsthaft versprochen wird: Arbeit wäre zu entlasten, der Verbrauch von (vor allem: fossiler) Energie zu belasten. In der Partei des Finanzministers nennt man das "ökosoziale Marktwirtschaft".

Nur wenn es ernst wird, gibt es halt andere Prioritäten. Dabei steht die Chance, den niedrigen Energiepreis für eine Umverteilung zu nutzen, nicht ewig offen. Wenn die Verhältnisse (und die sie steuernden politischen Interessen der Produzentenländer) auf dem Weltmarkt unverändert bleiben, dann bleibt Rohöl vielleicht zwei bis drei Jahre so billig - und genau diese Zeit könnte man mit einer den Verbraucherpreis stabilisierenden Steuer nutzen. Im Wissen, dass das Fenster wieder zugehen, der Rohölpreis wieder steigen wird, wären genau in diesem Zeitfenster die ausgabenseitigen Maßnahmen der Budgetsanierung zu setzen. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 9.1.2015)