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Die letzte große Razzia gegen illegale Migranten fand im Oktober 2013 in einem Außenbezirk Moskaus statt, nachdem ein junger Russe ermordet worden war - angeblich von einem Ausländer.

Foto: EPA/Schipenkow

Der Leiter der russischen Migrationsbehörde, Konstantin Romodanowski, warnt: Fast drei Millionen Ausländer, fast ausschließlich Bürger anderer ehemaliger Sowjetrepubliken, hätten die in Russland zulässige Aufenthaltsdauer von 90 Tagen deutlich überschritten. "Diese Herrschaften haben es nicht für nötig befunden, sich bei der Migrationsbehörde zu melden. Sie glauben, dass sie hier in aller Ruhe und ungestraft leben und wahrscheinlich auch noch Geld verdienen können. Doch das Informationssystem der Migrationsbehörde hat sie namentlich erfasst", sagte er.

Mit Inkrafttreten des neuen Aufenthaltsgesetzes am 10. Jänner führe die Fristüberschreitung automatisch zur Ausweisung, kündigte Romodanowski an. Ein dreijähriges Einreiseverbot droht allen Ausländern, die ohne Registrierung mehr als 120 Tage in Russland verbracht haben, bei 270 Tagen erhöht sich das Einreiseverbot auf fünf Jahre. Und wer mehr als 360 Tage illegal in Russland verbracht habe, "für den bleibt der Schlagbaum zehn Jahre lang geschlossen". Allein die letzte Gruppe macht etwas mehr als eine Million Menschen aus.

Russland ist eines der größten Einwanderungsländer der Welt. Einem UN-Bericht zufolge lebten 2013 rund elf Millionen Ausländer in Russland, geschätzt gut vier Millionen von ihnen illegal. Die meisten kommen aus den armen GUS-Ländern Zentralasiens - Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan. Aber auch viele Ukrainer und Moldawier arbeiten auf russischen Baustellen oder im Servicebereich.

Schon seit Jahresbeginn ist die Einreise für viele Gastarbeiter schwerer geworden, weil russische Grenzer nun von den Zentralasiaten einen Reisepass verlangen, während zuvor der Personalausweis ausreichte. Auch ist nun ein spezielles "Arbeitspatent" nötig, um in Russland tätig zu sein. In Moskau kostet so ein Patent 12.000 Rubel (170 Euro). Auf dem Schwarzmarkt dürfte das Papier allerdings deutlich teurer sein.

Kiew im Visier

Dass die Regelung auch getroffen wurde, um Kiew zu ärgern, machte Premier Dmitri Medwedew deutlich. "Etwa sechs Millionen Ukrainer kommen als Saisonarbeiter nach Russland", schrieb Medwedew. Für viele Ukrainer sei ein Job in Russland die einzige Möglichkeit, sich und ihre Familie zu ernähren. "Und nur wegen der Handlungen der Ukraine ist Russland gezwungen, diese Quelle zu schließen", schloss Medwedew. Die Verluste für die Ukraine bezifferte er auf umgerechnet elf bis 13 Milliarden Dollar.

Nicht alle sind mit dieser Rechnung einverstanden. Laut dem Journalisten Pawel Karasin haben Arbeitsmigranten im Jahr 2013 insgesamt neun Milliarden Dollar in die Ukraine überweisen. Nur ein Drittel der Summe stamme aus Russland, angesichts des Rubelverfalls sei nicht klar, woher Medwedew die Zahlen habe.

Tatsächlich hat der Rubel-Absturz mehr als die Regelverschärfungen zu einem Rückgang bei den Migrationszahlen geführt. Romodanowski konstatierte einen Rückgang von 70 Prozent bei den Einreisen. Experten warnen, dass es damit bald zu einem Mangel an Arbeitskräften in Russland kommen könne. (André Ballin aus Moskau, DER STANDARD, 9.1.2015)