Manchmal muss man an Definitionen schrauben. Etwa der, dass das eine auf Produkte fokussierte Zone ist. Andererseits ist – ums Eck gedacht – Know-how ja ein "imaterielles Gut". Und schon sind wir dort, wo ich hinwill: bei Lawinsicherheitstraining und Backcountry-Schulungen.

Denn eines ist klar: Notfall-Equipment (Bergretter und Hersteller sprechen lieber von "Notfall" als von "Sicherheit") ist am besten eingesetzt, wenn man es dabei hat – und unbenutzt wieder nach Hause bringt.

Das Tückische am Hightech-Zeug ist aber, dass es gerade Laien falsche Sicherheit suggeriert: "Ich hab ja eh LVS, Lawinenrucksack, Schaufel, Sonde, Erste-Hilfe-Set, Biwaksack, Trillerpfeife etc … mit." Na und? Fahren Sie mit dem Auto mit 180 km/h gegen die Wand – weil Sie "eh Fahrer- und Beifahrer-Airbags" haben?

Foto: Risk n Fun/Heli Düringer

Ich weiß nicht, wie oft ich das Notfallprogramm schon geübt habe: Suchen, sondieren, schaufeln. Suchen, sondieren, schaufeln. Im Suchfeld. Neben der Piste. Im Gelände. Bei Schneesturm, Regen, Sonne: Je öfter ich übe, umso sicherer weiß ich:

  • Ich will das nie, nie, nie tatsächlich anwenden.

  • Ich muss besser werden. Schneller. Sicherer. Routinierter. Gedrillt – so sehr ich dieses Wort auch verabscheue: Weil schon in einer Übungssituation, in der einer schein-panisch alles extra NICHT so tut, wie es "eh logisch" wäre, Nerven in der Gruppe zu flattern beginnen. Da vergessen sehr viele sehr schnell sehr viel.
  • Drittens – und am wichtigsten: Vermeide die Katastrophe. Unter allen Umständen. Das geht nur durch Planung, Strategie und Situationen-Bewerten. Nicht beim Blick aus dem Fenster – immer wieder. An jedem Hang. An jeder Kuppe.
  • Mut heißt, manchmal Nein zu sagen. Auch wenn rundherum alle(s) "Juhu, Powder!" schreit.
Foto: Risk n Fun/Heli Düringer

Das lernt man – wie das "Lesen" von Schnee, Wetter, Wind, Landkarten, Lawinenlageberichten oder lokaler Topografie – nicht in zehn Minuten. Nicht an einem Tag. Oder in einer Woche:

Ich habe vor 1000 Jahren bei "Risk'n'Fun" zu lernen begonnen. Und kann die Vorträge, Referate, Bücher, Präsentationen und Übungen seither nicht mehr zählen. Faszinierend dabei: Experten – Bergretter, Bergführer, Profifahrer (und natürlich immer auch -innen) – sind jedes Mal konzentriert. "Normalos" halten es oft für ein Spiel. Bloß: Das ist es halt nicht.

Foto: SAAC

"Der Lawine ist es egal, ob du ein Experte bist oder nicht: Wenn du da bist, bist du weg," brachte es einer meiner Lehrer, der Stubaier Bergführer Patrick Ribis einmal auf den Punkt, als wir einen Traumhang liegen ließen: "Es ist ganz einfach: Der Berg ist heute so schön wie morgen. Er ist morgen auch noch da. Du auch?" (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 11.1.2015)

Bei Übungen wird gern und spielerisch demonstriert, was im Ernstfall alles andere als lustig ist: 2013 entdeckte Patrick Ribis – keine 20 Meter neben einer stark befahrenen Piste – einen Zugang zum Gletscher.
Bewusst und abgesichert ein spannender, lustiger und lehrreicher Besuch des Innenlebens eines Gletschers. Als "Unfall" – etwa weil man den gesicherten Pistenbereich verlässt, ohne zu wissen, worauf man sich da einlässt – eine tödliche Falle: Unser Einstiegsloch war binnen Minuten zugeweht.
Mehr dazu unter: Überlebensstrategien für Freerider
derstandard.at/von usslar