Zwischen 30 und 40 Prozent der Bevölkerung leiden an einer nichtalkoholischen Fettleber, heißt es in "Volkskrankheit Fettleber". Belege fehlen aber leider, wie auch für alle im Buch angesprochenen Studien.

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Lange kannte man die Fettleber nur als Folge von chronischem Alkoholmissbrauch. Der ist zwar nach wie vor die Hauptursache, doch die nichtalkoholische Fettleber wird zu einem immer größeren Problem. 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen, heißt es in dem populärwissenschaftlichen Buch "Volkskrankheit Fettleber". Die Journalistin und Biologin Kirsten Segler sowie Ernährungswissenschafter Nicolai Worm gehen dabei den Ursachen auf den Grund – und zeigen, was man dagegen tun kann.

Zu viele Kohlenhydrate

Fettablagerungen in der Leber seien per se noch nichts sonderlich Ungewöhnliches oder Gefährliches, aber "das deutlichste Zeichen dafür, dass der Stoffwechsel aus dem Ruder gelaufen ist und immer weiter vom Kurs abkommen wird, wenn man nichts dagegen tut", erklären die Autoren. Besteht die Fettleber auf Dauer, drohen Diabetes (Typ 2), Herzinfarkt, Schlaganfall und Krebs.

Für die immer größere Verbreitung der nichtalkoholischen Fettleber – die alkoholische wird in dem Buch kaum thematisiert – machen die Autoren weniger eine fettreiche Ernährung als vielmehr ein Übermaß an Kohlenhydraten wie Brot, Müsli, Nudeln, Reis und Kartoffeln verantwortlich. Dass diese These und die dazugehörigen "Low Carb"-Diäten auf heftige Kritik stoßen und die Forschungslage alles andere als eindeutig ist, wird im Buch allerdings geflissentlich unterschlagen.

Ständig essen, aber niemals satt

Die angeführten Argumente klingen zumindest plausibel. So erfährt man, dass Kohlenhydrat keineswegs gleich Kohlenhydrat ist. Der glykämische Index (GI, veraltet Glyx) gibt an, wie schnell und stark ein kohlenhydrathaltiges Lebensmittel den Blutzuckerspiegel anhebt. Weil der GI aber nur eine Aussage über die Qualität, nicht aber über die Quantität der enthaltenen Kohlenhydrate ist, ist der Faktor der glykämischen Last (GL) wesentlich aussagekräftiger: Er erklärt, warum Pommes frites (GL 48) deutlich schneller wieder hungrig machen als etwa Kürbis (GL 7,5), obwohl es sich bei beiden um Kohlenhydrate handelt.

Die Ursache für diese Diskrepanz ist das Zusammenspiel von Glukose und Insulin. Nach einer Mahlzeit mit leicht verdaulichen Kohlenhydraten (also Stärke und Zucker) fällt der Blutzuckerspiegel oft unter den Normalwert. Man wird wieder hungrig und sehnt sich nach schnellen Energielieferanten, wie sie heute allgegenwärtig sind: Pommes, Pizza, Nudeln, Kekse. "So kann man ständig essen und große Mengen an Kalorien verputzen, ohne sich jemals wirklich satt zu fühlen."

Ungesunder Fruchtzucker

Aber nicht nur auf Kohlenhydrate schießt sich das Buch ein. Laut Worm und Segler zeigt eine Studie, dass bereits ein tägliches Glas Limonade, Cola oder Eistee das Risiko für Fettleibigkeit um 31 Prozent erhöht – leider fehlt dazu der Verweis, wie auch zu allen anderen im Buch angeführten Studien. Dass "Fruchtzucker" gesund sein soll, bestreiten die Autoren jedenfalls: "Heute weiß man, dass Fruchtzucker die Leberverfettung sogar stärker ankurbelt als Glukose. In Säften und Smoothies ist er so stark konzentriert, dass man ihn ähnlich bedachtsam genießen sollte wie alkoholische Getränke."

Nicht alles im Buch hat Neuigkeitswert: So erfährt man einmal mehr, dass man Olivenöl aufgrund seiner Fettsäuren bevorzugen soll, mehrmals wöchentlich Fisch zu sich nehmen sollte (Omega 3) und dass trotz aller Bedeutung der Ernährung der wichtigere Faktor die Bewegung sein wird. So ist schließlich auch Sport – sowohl Kraft- als auch Ausdauertraining – neben einer Kalorienreduktion die wichtigste Empfehlung der Autoren.

Keine Gliederung, dafür penetrante Werbung

Dass das Buch mitunter abschweift – "Die verschiedenen Formen von Hautkrebs" – und sich in Mengenangaben bei der Vitamin- und Nährstoffzufuhr verzettelt, tut der Sache keinen Dienst. Die Fallbeispiele aus der Ichperspektive – "Theresia, 47, schlanke Figur, verfettete Leber" – wären entbehrlich, stattdessen eine logische Gliederung wünschenswert, in der zuerst die Grundlagen von Leber und Stoffwechsel, dann erst die Ernährungsempfehlungen kommen.

Richtiggehend penetrant ist aber die intensive Werbung fürs "Leberfasten nach Dr. Worm" und "Hepafast" am Ende des Buches, angeblich die "optimale Form des Fastens": "Wirkt hervorragend", "hochwertige Zutaten", "immenser Energieschub". Ebenso irritierend die nicht minder reißerische Werbung für die verlagseigenen LOGI-Rezeptbücher. LOGI ist eine nicht unumstrittene, aber gut verkaufte Diät, die Autor Worm gegründet hat. Schade um das Buch. Was als brauchbare Einführung in ein (leider) immer wichtiger werdendes Thema beginnt, entpuppt sich als Verkaufsvehikel. Eine vergebene Chance. (Florian Bayer, derStandard.at, 9.1.2015)