In der mittlerweile abgerissenen Wiener Donauparkhalle gab Claudia Kristofics-Binder 1983 ein Abschiedsschaulaufen. Ihre Amateurkarriere hatte sie nach EM-Gold und WM-Bronze 1982 beendet.

Foto: Privat

Kristofics-Binder betreibt heute eine Eventagentur.

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Wien - Wäre die Mama damals nicht so hartnäckig gewesen - aus der Tochter wäre vermutlich keine so erfolgreiche Eiskunstläuferin geworden. Vielleicht gar keine. Und hätte die Tochter nach EM-Bronze 1981 in Innsbruck ihren Rücktrittsentschluss nicht noch verworfen - sie wäre 1982 in Lyon nicht Europameisterin geworden. Und hätte sie nicht im selben Jahr ihre Amateurkarriere beendet - vielleicht hätte sie 1984 noch eine Olympiamedaille gewonnen.

Claudia Kristofics-Binder bereut kaum. Ihre Karriere verlief auch so äußerst erfolgreich. Neben den beiden EM-Medaillen gewann sie 1981 und 1982 jeweils WM-Bronze. Dann war Schluss. Mit gerade einmal 20 Jahren. "Ich hatte keine Motivation mehr." Sie wollte immer aufs Stockerl. Das hat sie geschafft. Kristofics-Binder beschloss Österreichs glorreiche Eiskunstlauf-Ära. Sie ist die bis heute letzte heimische Medaillengewinnerin bei internationalen Titelkämpfen. In der Weltspitze mischten nach ihr nur noch die eistanzenden Geschwister Kathrin und Christoff Beck (Platz fünf bei Olympia 1988) mit. Karl Schäfer, Wolfgang Schwarz, Trixi Schuba und Co sorgten zwischen 1924 und 1972 für 20 Olympiamedaillen. An Goldenen (sieben) gemessen, ist Eiskunstlauf noch immer Österreichs zweiterfolgreichste Sportart bei Olympischen Spielen. Nur die Skifahrer haben mehr Edelmetall geholt.

Jugendrekord für die Ewigkeit

Die Olympiamedaille blieb Kristofics-Binder verwehrt. Mit 14 Jahren und 122 Tagen lief sie bei den Heimspielen 1976 in Innsbruck, wurde 16. Die Wienerin ist damit noch immer Österreichs jüngste Olympiateilnehmerin. Das wird sie auch bleiben. Unter 15-Jährige sind mittlerweile nicht mehr zugelassen. Auch die Spiele vier Jahre später in Lake Placid kamen zu früh für die damals 18-Jährige. Sie wurde Siebente. Und 1984 war sie schon Profi. "Ein bisschen habe ich mich geärgert, weil ich eine Medaille hätte gewinnen können." Katarina Witt hatte in Sarajevo den ersten ihrer beiden Olympiasiege geholt.

Fünfjährig lief Kristofics-Binder erstmals auf Eis. Das Mädchen fand Gefallen daran, wollte in den Kinderkurs. Der Wiener Eislaufverein fand in erster Linie Gefallen an Claudias um ein Jahr älterem Bruder Helmut. "Sie wollten nur ihn", erzählt sie. An eislaufenden Buben mangelte es damals schon. Die Mama aber drängte auch auf Claudias Aufnahme. Mit Erfolg. Einen zwölften und einen 13. EM-Platz schaffte Helmut Kristofics-Binder. Talent und Fleiß machten Claudia zum sportlich erfolgreichsten Familienmitglied.

Mit Fleiß kein Preis(geld)

Gegen Ende ihrer Laufbahn trainierte sie wochentags fünf bis sechs Stunden auf dem Eis. Belohnt wurde die Schinderei nur mit Medaillen, Ruhm und Ehre. Preisgelder gab es nicht. Werbeeinnahmen auch nicht. Das Angebot eines TV-Werbedrehs mit Rexona 1982 musste sie ablehnen. Trotzdem sagt sie über ihre Karriere: "Es war alles nur schön. Ich hatte Erfolge, ich habe die Welt kennengelernt. Ich habe ein tolles Leben geführt." Zweimal (1981 und 1982) wurde Kristofics-Binder zu Österreichs Sportlerin des Jahres gewählt. Geehrt wurde sie damals in der Halbzeitpause eines Fußball-Länderspiels.

Ab 1982 lief sie als Profi. Unter anderem bei Holiday on Ice. Von der Gage kaufte sie sich 1983 ihr erstes Auto - einen Nissan Micra - und ein paar Möbel für die Wohnung. Nebenher studierte sie Sportwissenschaften und arbeitete als Trainerin. Das Eiskunstlaufen wurde immer weniger. 1988 war Schluss. Das Privatleben rückte in den Vordergrund. "Das verlief chaotischer als meine sportliche Karriere." Zweimal heiratete sie, zweimal ließ sie sich scheiden. Ihre Kinder Tobias (27), Delphine (25) und Niklas (22) sind allesamt sportaffin. Das Mädchen probierte sich als Eiskunstläuferin. "Ich war nie bei ihren Wettkämpfen", sagt die 53-Jährige. Sie wollte nicht als klassische Eislauf-Mama gesehen werden.

Eislauf-Aversion

"Ich gehe nicht gerne eislaufen", sagt Claudia Kristofics-Binder heute. Nur im Kreis herumzufahren - das liegt ihr nicht. Auf dem Eis steht sie trotzdem des Öfteren. Als Lehrbeauftragte für Studierende der Pädagogischen Hochschule, als Leiterin von Kinderkursen und als Organisatorin von Eisshows. Seit mehr als zehn Jahren betreibt sie die Veranstaltungsagentur CKB Events. Davor war sie unter anderem bei der Österreichischen Sporthilfe, in der ORF-Sportredaktion und als Leiterin eines Fitnesscenters tätig.

Mit dem Spitzensport will sie nichts mehr zu tun haben. "Der Breitensport ist mir tausendmal lieber." Im heimischen Eiskunstlaufverband "lässt man einen nicht arbeiten". Eiskunstlaufen im Fernsehen schaut sie nur, wenn sie Zeit hat. "Mir gefällt's nach wie vor gut." Einen aktuellen Weltmeister könnte sie aber nicht nennen. Und das Wertungssystem findet sie nicht nachvollziehbar. Das technische Niveau sei der größte Unterschied zum Eiskunstlauf zu ihrer aktiven Zeit. "Das ist so explodiert." Ob ihre Karriere heute auch so gut verlaufen wäre, kann sie schwer sagen. "Wenn ich stur mein Ziel verfolgt hätte, wäre ich vielleicht auch erfolgreich geworden." Besser verdient hätte sie mit Sicherheit. "Von meinen damaligen Erfolgen könnte ich heute gut leben." Aber sie ist nicht wehmütig.

Kampf der Faulheit

Der Sport hat ihr viel gebracht - auch fürs Berufsleben. Disziplin schadet nicht. Die hat sie zuletzt, was die sportliche Aktivität angeht, etwas schleifen gelassen. "Ich bin faul geworden." Deshalb, meint sie, kommt jetzt das eine oder andere Wehwehchen zum Vorschein. Und deshalb, das war ihr Neujahrsvorsatz, will sie weniger faul sein. Sich mehr um sich selbst kümmern, das tut sie schon. Das war der Vorsatz zum 50. Geburtstag. 25 Jahre war der Sport das Wichtigste, 25 Jahre waren es die Kinder. Jetzt bin ich dran." (Birgit Riezinger, DER STANDARD, 7.1.2015)