Bildhauer Manfred Pernice setzt das Sortieren, Aufbewahren und Zusammenführen von überwiegend gefundenen Materialien fort.

Foto: Markus Wörgötter

Die "Dosen" von Manfred Pernice sehen schon ein bisschen so aus, als stünden sie normalerweise in einem Jugendzimmer. Sie sind von unterschiedlicher Größe, mit bunten Farben bemalt, und in einigen befindet sich eine Schatulle - zumindest lassen ein paar Deckel mit Knauf darauf schließen. Und tatsächlich fungieren die meisten seiner Behälter nicht nur als Sockel für Materialassemblagen oder kleine Skulpturen; der 1963 in Hildesheim geborene Bildhauer hat in ihnen auch Dinge versteckt: Lieben, verlieren, lieben von Joyce Carol Oates beispielsweise, aber auch Kleinkram wie einen gelben Gummihai, einen gebastelten Kerzenständer oder ein weiteres Buch, auf das in der Ausstellung in der Galerie nächst St. Stephan (ebenso wie auf Joyce Carol Oates' Erzählband) eine auf die Wand affichierte Kopie verweist. Es handelt sich dabei um eine Seite aus einer Publikation mit Briefen des deutschen Bildhauers Georg Kolbe, der im Jahr 1915 noch seine Kriegsbegeisterung ausdrückt.

Akribie der Beschreibung

Eine genauere Lektüre bleibt dem Betrachter allerdings insofern erspart, als nur die Kopie einer Texthälfte präsentiert wird. Bei Oates sieht die Sache wieder anders aus: Die Seite aus dem Buch der Schriftstellerin wurde sorgfältig kopiert, weswegen man in ihren akribischen Beschreibungen des alltäglichen Lebensumfeldes ihrer Protagonisten auch durchaus Parallelen Manfred Pernices Arbeit entdecken kann.

Mit Akribie scheint schließlich auch dieser die Spuren des Alltags sichern zu wollen, und zwar nicht nur mit den für ihn längst typischen Dosen, sondern auch mit den "Cassetten", die er im zweiten Raum der Galerie zeigt.

Die quadratischen Metallbehälter hängen dort dicht nebeneinander an der Wand und würden durchaus den Charme der Bürokratie versprühen, wäre da nicht der Inhalt, der augenscheinlich keiner bestimmten Agenda folgt: Neben Glücksbringern liegt in einem der Behälter ein Frankfurter Würstel aus Plastik, daneben sieht man diverse Ausstellungsfolder, Bierdeckel, Postkarten, Servietten, aber auch Zeitungsausschnitte, aus denen man eine tiefere Botschaft herauszulesen versucht. "Wie der Urweltmammutbaum nach Friedrichsfelde kam" lautet eine der eher unspektakulären Artikelüberschriften. Unter dem Titel Erleuchtung findet sich auch noch eine Fotografie, das Siegerbild eines Wettbewerbs.

"Alles, was die Arbeit betrifft, ist darin enthalten", hat Manfred Pernice einmal sein Schaffen kommentiert. Deswegen kann man wohl auch getrost seinen eigenen Assoziationsketten folgen, die von Silvester über Recycling bis hin zu Fragen rund um die zeitgenössische Bildhauerei und deren lange Geschichte reichen.

Es geht freilich einmal mehr um das Verhältnis zwischen Kunstwerk und Sockel, Innen und Außen, aber auch um Materialreflexionen und wie sich ein Objekt mit Geschichte auflädt.

Nicht nur in Bezug auf das Verhältnis zwischen Innen und Außen hält Manfred Pernice im letzten Raum jedenfalls eine Überraschung bereit: Unter dem Schriftzug "Zeugs" betritt man dort eine Art Fahrradwerkstatt, wo er mit einem Radständer, Werkzeug et cetera auch den öffentlichen Raum in seine Schau hereinholt. (Christa Benzer, Album, DER STANDARD, 3./4.1.2015)