Wien - Seit fast 40 Jahren gehört sie zu den klassischen Ritualen rund um den Jahreswechsel: die 9. Symphonie Ludwig van Beethovens im Wiener Konzerthaus, jenes weltumspannende Hoffnungsstück, das so voller Probleme steckt. Ihre eigensinnigen Formen sind in der Interpretation kaum je zu lösen, sondern eher als offene Fragen nachvollziehbar zu machen, und insbesondere der affirmative, siegestrunkene Tonfall des Chorfinales hat dem Missbrauch des grandiosen Titanenwerks durch mehr als ein Verbrecherregime den Weg geebnet.

Blinder, rauschhafter Taumel, den manche Interpreten hier noch immer pflegen, macht Beethovens Musik jedoch eindimensional - was sie auch hier gerade nicht ist. Vom Barockspezialisten (und Musikwissenschafter) Ton Koopman durfte man sich auch mit einem klassisch-romantisch geprägten Orchester wie den Wiener Symphonikern einen dezidiert anderen Zugang erwarten. Der 70-Jährige agierte beim ersten der drei Konzerte am 30. 12. zwar nur mit nahezu perfekter Präzision, aber dafür mit einem Übermaß an Inspiration, die sich vor allem in den Klangfarben ausdrückte. Wunderbar schlank und transparent war der Streicherklang, klar jener der Bläser, flexibel und atmend die Phrasierung.

Kopmann schien gerade die Fragilität der utopischen Vision zu betonen - ein Jubel wie ein "Als ob", in den auch das Solistenquartett mit Malin Hartelius, Marie-Claude Chappuis, Jörg Dürmüller und dem atemberaubenden Matthias Goerne einstimmte. (Daniel Ender, DER STANDARD, 2.1.2015)