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Hat den Suhrkamp-Verlag als Störenfried dazu provoziert, sich wirtschaftlich vernünftiger aufzustellen: Medienunternehmer Hans Barlach.

Foto: EPA/ANDREAS ARNOLD

Berlin - Der Begriff der "feindlichen Übernahme" ist in der Unternehmenswelt recht genau definiert. So ist dabei natürlich vorausgesetzt, dass überhaupt ausreichend Anteile auf dem Markt sind, um sich gegen den Willen des Managements in die Position eines Mehrheitseigentümers zu bringen.

Davon konnte bei dem deutschen Prestigeverlag Suhrkamp 2011 keine Rede sein, und doch hatte es etwas von dem Versuch zu einer "feindlichen Übernahme", als der Medienunternehmer Hans Barlach, Inhaber von knapp einem Drittel der Anteile, gegen die Verlagsleiterin Ursula Berkéwicz-Unseld Klage erhob.

Er warf ihr vor, nicht im Interesse des Verlags gewirtschaftet zu haben, indem sie Räume ihres privaten Domizils an Suhrkamp vermietet hatte. Mit der sogenannten Familienstiftung hält die Witwe des langjährigen Suhrkamp-Chefs Siegfried Unseld etwas mehr als 60 Prozent an dem Verlag, in dem nach wie vor ein guter Teil der deutschsprachigen Intelligenz veröffentlicht, von Jürgen Habermas bis Rainald Goetz.

Barlachs Motivation

Barlach klagte auf Entschädigung, de facto wollte er aber wohl vor allem eins: selber oder mit einer Vertrauensperson den Verlag leiten. Dass er dazu geeignet sein könnte, mochte außer ihm selbst kaum jemand so sehen. Dass Suhrkamp keine Zeit für Streitereien hat, sondern sich dringend auf die Wirklichkeiten des Büchermachens unter digitalen Bedingungen im 21. Jahrhundert einstellen muss, war der andere Aspekt dieser Angelegenheit, die seit 2011 mit immer neuen Klagen, Gegenklagen und Unterlassungsklagen für Aufregung sorgte - und zugleich für große Betriebsamkeit zahlreicher juristischer Stellen.

So war es nun zuletzt die zweite Kammer des Bundesverfassungsgerichts, die am 18. Dezember mit einem Beschluss für klare Verhältnisse sorgte. Das Gericht wies eine von Barlach lancierte Verfassungsbeschwerde ab, mit der dieser verhindern wollte, dass ein von der Familienstiftung initiierter Insolvenzplan rechtskräftig wird. Dieser sieht vor allem einen "unumkehrbaren Formwechsel" vor, wie es im Urteil heißt, das auf der Webseite des Gerichts nachzulesen ist.

Suhrkamp wird also im neuen Jahr als Aktiengesellschaft eingetragen, die bisherige Kommanditgesellschaft gibt es dann nicht mehr, und das bedeutet konkret, dass Barlach wesentlich weniger Möglichkeiten haben wird, auf die Geschäfte von Suhrkamp Einfluss zu nehmen. Die Familienstiftung hatte Druck gemacht, indem sie eine Zahlungsunfähigkeit von Suhrkamp für Mitte 2015 avisiert, wenn die angestrebte Veränderung der Rechtsform nicht zu realisieren wäre.

Als Aktiengesellschaft kann sich der Verlag für neue Mitbesitzer öffnen, wodurch sich wiederum die Anteile von Hans Barlach relativ vermindern würden. Der Verhinderung dieser Möglichkeit diente die Verfassungsbeschwerde.

Das Urteil aus Karlsruhe hält zwar nebenbei auch fest, dass es von beiden Seiten in dem Konflikt zu "vielfachen Verletzungen wesentlicher Gesellschafterpflichten" gekommen ist, lässt dann aber Barlach im Regen stehen. Er konnte nicht klarmachen, wie Suhrkamp unter den Bedingungen des Streits saniert werden könnte, "nachdem bisher Einigkeit hinsichtlich das Geschäft (...) betreffender Entscheidungen nicht zu erzielen war".

Dreiköpfiger Aufsichtsrat

Wie geht es nun weiter? Im neuen Jahr wird Suhrkamp neu eingetragen, mit einem dreiköpfigen Aufsichtsrat, dem laut Frankfurter Allgemeine Zeitung der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger, der ehemalige Innenminister Gerhart Baum und die Ärztin Marie Warburg angehören sollen, und einem vom Aufsichtsrat bestellten Vorstand, in dem dann wohl wieder Ursula Berkéwicz-Unseld sitzen wird.

Hans Barlach muss sich damit abfinden, dass er den Suhrkamp-Verlag als Störenfried dazu provoziert hat, sich wirtschaftlich vernünftiger aufzustellen. Das müsste eigentlich in seinem Sinne sein, aber er wird davon weniger haben, als ihm lieb sein kann.

Eine Klage hat er deswegen noch laufen: jene auf Schadensersatz. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 31.12.2014/1.1.2015)