Hoffnung. Das ist das zentrale Wort in der Marketingkampagne der Nato, die nach dem Ende des Kampfeinsatzes am Hindukusch die Mühen, die Toten und die Geldmittel rechtfertigen soll, die der Krieg in Afghanistan in den vergangenen 13 Jahren gekostet hat. Heute sei die barbarische Herrschaft der Taliban in weiten Teilen des Landes gebrochen. Die Menschen dort, vor allem die Frauen, hätten wieder etwas an Freiheit und Selbstbestimmung zurückbekommen. Der gequälte Landstrich sei sicherer, demokratischer, rechtsstaatlicher geworden. Und er sei heute kein sicherer Hafen mehr für Terroristen vom Schlage Osama Bin Ladens.

All das ist richtig. Und dennoch ist der Militäreinsatz in Afghanistan gescheitert.

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hat die Nato den Bündnisfall nach Artikel 5 des Nordatlantikpaktes ausgerufen. Afghanistan war die erste große "Out of area"-Operation des Bündnisses. Die dafür zur Verfügung gestellten Mittel (Schätzungen zufolge zwischen 100 und 150 Milliarden US-Dollar pro Jahr) waren enorm. Die Beteiligung schien dennoch zwingend - aus außen- und bündnispolitischen Gründen. Selbst die kriegsscheuen Deutschen wollten ihre Freiheit plötzlich am Hindukusch verteidigen, und sogar Österreich schickte einige Hundertschaften Soldaten ins Konfliktgebiet.

Der Auftrag der Uno und der Afghanen (auf der Petersberger Konferenz) an die Internationale Schutztruppe Isaf war eindeutig: Sie sollte im ganzen Land für Sicherheit sorgen, damit die neuen afghanischen Behörden neue Strukturen schaffen konnten. Das ist schlechterdings nie gelungen. Die Taliban konnten sich trotz massiven militärischen Drucks in Rückzugsgebieten halten. So wie die Briten und nach ihnen die Sowjets musste die US-geführte Nato-Allianz auf dem "Friedhof der Imperien" Demut lernen - die Afghanen sind nicht zu unterwerfen, nicht zu befrieden.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Sogenannte asymmetrische Konflikte können trotz drückender militärischer Überlegenheit regulärer Armeen nicht gewonnen werden, wenn sie zu langen, zermürbenden Kleinkriegen werden. Geheimverhandlungen mit den Taliban am Golf sind ebenso gescheitert wie eine große (und notwendige) regionale Lösung des Konfliktes mit dem Nachbarstaat Pakistan. Dazu kommen ökonomische Rückständigkeit und ein Hass in der Bevölkerung, der sich gegen "Befreier" richtet, die allenthalben Unschuldige mit von Drohnen abgeschossenen Raketen töten.

Das Land wird noch lange am sicherheitspolitischen und finanziellen Tropf der internationalen Gemeinschaft hängen. "Resolute Response", der Name der Nachfolgeoperation, scheint ein großer Euphemismus.

Die Hoffnung stirbt zuletzt, heißt es. Aber sie kann sterben. Nach all dem, was in den vergangenen 13 Jahren in Afghanistan geschehen ist, muss man sie wohl oder übel am Leben erhalten. (Christoph Prantner, DER STANDARD, 30.12.2014)