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In einem Amtsgebäude in Havanna werden die inzwischen freigelassenen "Cuban Five" oder "Miami Five" als Helden gefeiert. Sie saßen in den USA wegen Ausspionierens von Exilkubanern in Haft.

Foto: Reuters / Alexandre Meneghini

STANDARD: Wieso haben die Präsidenten Raúl Castro und Barack Obama just diesen Zeitpunkt gewählt, um ihre Beziehungen zu normalisieren?

Jorge Castañeda: Die Geheimverhandlungen dauern schon 18 Monate und wurden begonnen, weil beide Seiten ein Interesse daran haben, dass sich die Dinge ändern. Obama sagte das schon 2008. Aber das konnte er aus politischem Kalkül nicht in seiner ersten Amtszeit angehen. Nach seiner Wiederwahl und der Niederlage der Demokraten bei den Kongresswahlen im November hat Obama nichts mehr zu verlieren. Auf kubanischer Seite hat der Verfall der Ölpreise den Kubanern vor Augen geführt, dass das Ende der venezolanischen Ölsubventionen möglicherweise ziemlich rasch bevorsteht. Aber die Ankündigung vorige Woche ist erst der Beginn eines langen Prozesses, nicht das Ende.

STANDARD: Welche Gefahr besteht, dass ein neuer Präsident und ein neuer Kongress in den USA das Ganze wieder rückgängig machen?

Castañeda: Das Kernstück des Problems, das US-Embargo, ist ja nicht gefallen, denn dafür gibt es keine Mehrheit im Kongress. Und es wird ganz ohne Zweifel auch weiter bestehen bleiben. Die konkreten Maßnahmen, die Obama verkündet hat, sind deutlich weniger spektakulär als der Symbolwert seiner Ankündigung. Es gibt keine Reisefreiheit für US-Touristen. Die Exilkubaner können ein bisschen mehr Geld überweisen. Ein republikanischer Präsident könnte das rückgängig machen, aber viel Grund dazu hätte er gar nicht.

STANDARD: Werden die erwarteten US-Investionen die kubanische Wirtschaft voranbringen?

Castañeda: Ich halte einen Katalysatoreffekt für möglich, aber die Experten glauben, dass Obamas Maßnahmen nicht genügen, einen Fluss an Investitionen und Touristen in Gang zu setzen, der ausreicht, um die kubanische Wirtschaft zu sanieren.

STANDARD: Welche Rolle haben die Europäer gespielt? Wurden sie konsultiert? Und was wird aus der Helms-Burton-Klausel des Embargos, die jede europäische Investition auf Kuba mit US-Repressalien bedroht und die schon häufig zu transatlantischen Verstimmungen geführt hat?

Castañeda: Die Klausel bleibt weiter bestehen. Die Europäer wurden vermutlich informiert, ich glaube nicht, dass sie vor der Tür blieben. Sie haben ja Anfang des Jahres schon Verhandlungen mit Kuba aufgenommen, und dabei zeigte sich, wo der Knackpunkt liegt. Die Kubaner erklären sich gesprächsbereit, aber sobald die Frage von Demokratie und Menschenrechten aufs Tapet kommt, wollen sie nicht von ihrer Definition abrücken, und die Gespräche kommen ins Stocken. Beide Seiten sprechen eine andere Sprache. Das werden wir wohl auch zwischen Washington und Havanna erleben. Aber wenn die kubanische Wirtschaft nach dem venezolanischen Kollaps in die Krise gerät, wird Kuba darauf angewiesen sein, dass das US-Embargo fällt, damit Investitionen, Handel und Tourismus in Schwung kommen. Und dann muss Havanna größere Zugeständnisse machen.

STANARD: Welche wären das?

Castañeda: Damit das Embargo aufgehoben wird, muss der US-Präsident dem Kongress konkrete Fortschritte in Richtung Demokratisierung auf Kuba vorlegen. Dafür reichen zwei, drei entlassene politische Gefangene oder Spione nicht aus. Und wenn Raúl Castro in dieser Beziehung keine Zugeständnisse macht, wird die Normalisierung weiter stocken.

STANDARD: Wird die Maßnahme den Machtwechsel auf Kuba beeinflussen?

Castañeda: Offiziell ist die Nachfolge schon lange geregelt. 2018 soll Vizepräsident Miguel Diaz-Canel das Ruder übernehmen. Castros Nachfolger hat zwei Alternativen: die nordkoreanische, also autoritäre Herrschaft mit Mangelwirtschaft, wo die Leute hungern; oder die politische Öffnung, entweder aus eigener Überzeugung oder aus Pragmatismus, damit das Geld von außen fließt.

STANDARD: Viel wurde über Fidel Castros Schweigen spekuliert. War die Normalisierung mit ihm abgestimmt?

Castañeda: Wenn er noch zurechnungsfähig ist, dann hat er dem zugestimmt. Und wenn er es nicht mehr ist, dann ist es auch egal. (Sandra Weiss, DER STANDARD, 27.12.2014)