1735 schenkte Karl VI. Zarin Anna Iwanowa ein umfangreiches Terrinenservice. Die als Knäufe dienenden Türkenfiguren verweisen auf das gemeinsame Bündnis gegen das Osmanische Reich.

Foto: Christie's
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Wirtschaftsförderung anno 1717: Im Juni des Jahres hatte Karl VI. zur Gründung neuer Gewerbebetriebe aufgerufen, seine Untertanen sollten Güter für Binnenmarkt und Export produzieren. Claudius Innocentius du Paquier reagierte prompt und erhielt knapp zwölf Monate später das kaiserliche Privileg, die erste Porzellanmanufaktur im Habsburgerreich zu gründen. Gemessen am Auftragsvolumen wurde der Kaiser einer der wichtigsten Klienten: Er setzte das kostbare neue Produkt für die Diplomatie ein. Die osmanischen oder russischen Herrschern überlassenen Porzellane zählen laut Kuratorin (Art Institute Chicago) Ghenete Zelleke (Fired by Passion, Bd. II., Vlg. Arnoldsche) zu den prächtigsten, je in der Manufaktur Du Paquier produzierten.

Sowohl bei der Wahl der Formen als auch der Dekore wurden Kultur und Gebräuche im Land des Empfängers berücksichtigt. Die bis Mitte der 1730er nach Konstantinopel gelieferten Geschenke - Rosenwasserkannen, Service etc. - waren mit stilisierten Blumen und geometrischen Mustern bemalt, dem Islam entsprechend fehlte jedwedes figurale Dekor. Mit dem russisch-österreichischen Türkenkrieg (1736-1739) endete diese an Präsenten reiche Beziehungsperiode. "Solche Geschenke begleiten die Kunstgeschichte, vor allem in der Renaissance und im Barock", erzählt Johann Kräftner (Direk- tor Liechtenstein Collections), "manchmal konnten sie die Wogen glätten, manchmal bereicherten sie bloß Schatzkammern und bewirkten wenig."

Im Umfeld der Allianz Russlands mit den Habsburgern im Polnischen Erbfolgekrieg ließ Karl VI. wiederum kostbare Porzellane nach Russland senden, darunter Gefäße mit goldenen Montierungen, teilweise mit Diamanten besetzt, die dem Geschmack Zarin Anna Iwanowas entsprachen und die Wertschätzung der einen für die andere Großmacht repräsentierten. Zu den imposantesten Serien gehörte ein mit plastischen Blumen und dem russischen Zarenwappen üppig dekoriertes Terrinenservice. Kleine Türkenfi guren fungierten hier als Knäufe und dokumentieren das Bündnis gegen die Osmanen.

Die Eremitage St. Petersburg verwahrt heute noch 32 Teile dieses Services. Weitere Exemplare waren 1918 über die sowjetische Botschaft in Berlin verkauft und später über Auktionen (u. a. Dorotheum, 1928) versteigert worden. Über Berlin wechselten sieben Terrinen den Besitzer, die sich - bis auf drei in Privatbesitz - nun in Museen wie dem Victoria & Albert (London) oder dem Metropolitan New York) befinden.

Aus der Sammlung von Paul und Melinda Sullivan gelangte nun via Christie's New York (11. 12.) eine länglich-oktagonale Version zur Versteigerung. 1961 hatte sie bei einer Versteigerung in London (Sotheby's, "The Blohm Collection") 1900 Pfund eingespielt. Der aktuelle Schätzwert belief sich auf 250.000 bis 370.000 Pfund bzw. 400.000 bis 600.000 Dollar. Könnte sein, dass Johann Kräftner namens des Fürsten von Liechtenstein auch mehr bezahlt hätte. Mangels Konkurrenz heimste er das um 1735 gefertigte Prunkstück österreichischer Porzellankunst bereits für 365.000 Dollar (rd. 298.000 Euro) bzw. umgerechnet rund 298.000 Euro ein. (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 27./28.12.2014)