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Tiefe Einblicke in geleerte Safes will die heimische Finanz.

Foto: Reuters/Hartmann

Wien - Trotz der vielen Streitereien über die Steuerreform gibt es zwischen SPÖ und ÖVP doch eine Gemeinsamkeit: Beide wollen eine mögliche Entlastung der Arbeitnehmer teilweise gegenfinanzieren, indem sie den Kampf gegen den Steuerbetrug verstärken. Rund eine Milliarde Euro an zusätzlichen Einnahmen erhoffen sich die Großkoalitionäre. Ihrem Ziel sind sie nun zumindest einen Schritt näher gekommen.

Das Finanzministerium hat am vergangenen Freitag eine sogenannte Gruppenanfrage in die Schweiz geschickt. Damit wollen die Steuerfahnder die Identität jener wohlhabenden Österreicher erfahren, die Millionenbeträge klammheimlich aus der Schweiz heraus ins Ausland transferiert haben. Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage der Grünen an Finanzminister Hans Jörg Schelling hervor. Der Minister hat die Antworten am Dienstag an den Nationalrat übermittelt.

Delikate Causa

Die Causa, um die es geht, gilt als delikat. Im April 2012 unterzeichnete die damalige Finanzministerin Maria Fekter ein Amnestieabkommen mit ihrer Schweizer Amtskollegin Eveline Widmer-Schlumpf. Die Vereinbarung sah vor, unversteuertes Vermögen von Österreichern im Nachbarland mit einer anonym eingehobenen Abschlagszahlung zu erfassen. Alternativ konnten sich Hinterzieher selbst bei der Finanz melden.

Das Abkommen trat am 1. Jänner 2013 in Kraft, also acht Monate nach der Unterzeichnung. Somit blieb hartnäckigen Hinterziehern - sie werden von der Finanz "Abschleicher" genannt - genügend Zeit, um ihr Geld aus der Schweiz herauszuschaffen.

Die Lücke dürften viele genutzt haben. Nach groben Schätzungen von Steuerberatern haben die Abschleicher bis zu zehn Milliarden Euro an unversteuertem Vermögen aus der Schweiz abgezogen. Nachversteuert wäre hier also viel zu holen. Das Finanzministerium weiß bisher nur, wohin die Gelder verschoben wurden. Diese Information musste die Schweiz laut dem Abkommen aus 2012 übermitteln.

Flucht nach Hause

Ein großer Teil der Abschleicher hat demzufolge das Schwarzgeld nach Österreich zurückgeholt, was das Finanzministerium so nicht bestätigen will. Schweizer Banker und Steuerexperten erzählen jedoch inzwischen offen, dass Österreich Fluchtdestination Nummer eins war. Aus Sicht der Betrüger ist das zumindest sinnvoll, weil das Bankgeheimnis für Inländer in Österreich immer noch einen guten Schutz bietet.

Im Finanzministerium wurde deshalb bereits seit Monaten an einem "Plan B" in Form der Gruppenanfrage gearbeitet. Mit ihrer Hilfe können Auskunftsersuchen in Steuersachen an andere Staaten gestellt werden. Österreich war wie die Schweiz lange restriktiv und hat nur sehr begrenzte Anfragen erlaubt, bei denen die Identität eines Steuerbetrügers schon feststand. Seit kurzem ist das anders, beide Staaten gestatten nun breite Anfragen.

US-Präzedenzfall

Ob die Schweizer die Identität der Abschleicher aber enthüllen werden, ist fraglich. Eine Verordnung in der Schweiz legt nämlich fest, dass die neuen Gruppenanfragen nur rückwirkend bis Februar 2013 erlaubt sind. Zu diesem Zeitpunkt waren die Abschleicher aber schon weg. René Matteotti, Steuerexperte an der Universität Zürich, glaubt deshalb, dass Österreich mit seinem Ansuchen nicht durchkommen wird.

Heimische Experten sind nicht ganz so pessimistisch. So gibt es in der Schweiz ein Höchstgerichtsurteil, das Österreich helfen könnte: Im Rahmen der Entscheidung wurde den USA erlaubt, weit zurückreichende Steueranfragen zu stellen. Wie die Sache jetzt ausgeht, könne niemand recht wissen, sagt der Wiener Steuerberater Alexander Lang. Seiner Einschätzung nach werde aber keine Gruppenanfrage an ein anderes Land gestellt, "wenn man weiß, dass da nichts zurückkommt".

Kritik an Bankgeheimnis

Vorsichtig optimistisch ist auch der Grünen-Abgeordnete Bruno Rossmann. Dass das Finanzministerium "nun endlich" in der Sache tätig werde, sei auch ein Erfolg seiner Anfrage. "Ob da jemals eine Antwort kommt, wird man erst sehen." Die Grünen wollten von Minister Schelling auch wissen, ob er nicht eine Initiative für die Abschaffung des Bankgeheimnisses für Inländer erwäge.

Ohne dieses könnte die Finanz den Abschleichern ja einfacher auf die Spur kommen. "Das Bankgeheimnis für Inländer steht aus meiner Sicht nicht zur Debatte", so die Antwort des Ministers. Das Finanzministerium wollte auf Anfrage des Standard keine Details zum Inhalt der Gruppenanfrage nennen. (András Szigetvari, DER STANDARD, 24.12.2014)