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Vorweihnachtliche Andacht in der Geburtskirche von Bethlehem.

Foto: REUTERS/ Mussa Qawasma

Das übliche Weihnachtsdilemma in Bethlehem, der Geburtsstadt Jesu, ist heuer besonders deutlich. Einerseits wollen die Stadtfunktionäre und die Bürger die Aufmerksamkeit nützen, um die Botschaft in die Welt zu senden, dass Bethlehem durch die israelische Besatzung erdrückt werde und eine politische Lösung dringender nötig sei denn je. Andrerseits will man möglichst viele Besucher anlocken und deshalb die Welt davon überzeugen, dass in Bethlehem alles ganz normal, friedlich und sicher sei.

Dass die nationalen Anliegen der Palästinenser mit dem Weihnachtsfest vermengt werden, ist längst zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Touristenführer über die Besatzung ist der Titel von mehrsprachigen Plakaten samt Landkarten, die auf dem Bethlehemer Krippenplatz angebracht sind. "Alles, was ich mir zu Weihnachten wünsche, ist Gerechtigkeit", lautet das Motto, das die Stadtverwaltung heuer für die Veranstaltungen gewählt hat.

Bürgermeisterin Vera Baboun erklärt emphatisch: "Dieses Jahr ist vielleicht das schlechteste in den letzten fünf Jahren - deshalb haben wir dieses Jahr auf dem Weihnachtsbaum Lichter mit den Farben der palästinensischen Flagge - Rot, Weiß, Grün - platziert."

An der Wand hinter Babouns Schreibtisch hängen große Porträts von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und dessen verstorbenem Vorgänger Yassir Arafat, dazwischen Fotos von Papst Franziskus bei seinem Besuch in Bethlehem im vergangenen Mai. Bis dahin war das Jahr sehr gut gelaufen - doch danach ging es steil bergab, wegen des Gaza-Kriegs und der Unruhen und Anschläge im Raum Jerusalem.

Pilger bleiben oft aus

"Ab Juni haben 60 Prozent ihre Besuche abgesagt", klagt Baboun. Dabei sei Bethlehem, "was den Konflikt betrifft, ein sehr sicherer Ort, aber das Fehlen des Friedens behindert unsere Mobilität und unser Wachstum".

Auf dem Krippenplatz spürt man kurz vor Weihnachten doch wieder Bewegung. Vor der engen Treppe, die zur Geburtsgrotte hinunterführt, bilden sich Schlangen, griechisch-orthodoxe Geistliche verkaufen Kerzen, "Salbungsöl" und "Heiliges Wasser aus dem Jordan-Fluss".

Aber die Europäer und Amerikaner sind noch nicht zurückgekehrt, Bethlehem muss sich vorläufig mit weniger zahlungskräftigen Gästen begnügen. Bei den ausländischen Reisegruppen scheinen die Russen zu dominieren, ein Schwarm von fröhlichen Nigerianern ist an ihren leuchtend grünen Schals zu erkennen.

Daneben kommen viele Besucher, die permanent in Israel leben, und zwar nahe am Existenzminimum: Philippinerinnen, die meist als Altenpflegerinnen beschäftigt sind - und neuerdings auch in Israel gestrandete afrikanische Migranten.

Junge Flüchtlinge aus Eritrea stimmen vor dem Weihnachtsbaum ein "Halleluja" mit Afro-Sound an. "Hier gibt es nichts zu befürchten", sagt Tekele Gabuslassen, "ich bin schon zum vierten Mal zu Weihnachten hier, ich fahre jedes Jahr aus Tel Aviv herauf."

Ein Fremdenführer spricht immer wieder einzelne westlich aussehende Passanten an - vergeblich. Gruppen mit Bussen bekäme er nicht, klagt er, die würden nämlich von den Israelis organisiert: "Ich verdiene einfach nichts - die Medien zeigen den Menschen, dass es hier viele Probleme gibt, wie können wir sie überzeugen, herzukommen?"

Relatives "Paradies"

In der Milchgrottenstraße, wo er einen seiner Läden mit den ortstypischen Devotionalien aus Olivenholz führt, sinnt Jack Giacaman darüber nach, dass es christlichen Minderheiten in manchen Nahostländern noch viel schlechter geht. "Wir Christen, die in diesem Land leben - in Israel und Palästina -, wir leben im Paradies verglichen mit dem Irak, mit Syrien, mit Saudi-Arabien."

Die Giacamans sind eine große katholische Familie, die seit Generationen in Bethlehem verwurzelt ist. Wie viele andere einheimische Christen sind auch viele seiner Verwandten über die letzten Jahrzehnte ausgewandert, vor allem nach Südamerika, erzählt Jack; aber "wir haben bloß eine schlechte Wirtschaftslage, keine Gefahr für unser Leben". (Ben Segenreich aus Bethlehem, DER STANDARD, 24./25./26.12.2014)