Der Bregenzer Bürgermeister Markus Linhart will "nicht wegschauen": Die Stadt stellt daher das Haus Sandgrubenweg 4 für Flüchtlinge zur Verfügung, das derzeit adaptiert wird.

Foto: Stiplovsek
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Bregenz/Wien - Im Bregenzer Mehrfamilienhaus Sandgrubenweg 4 gehen Handwerker und Möbelpacker ein und aus. In aller Eile werden Stadtwohnungen für Flüchtlingsfamilien aus Syrien adaptiert. Noch in den Weihnachtsferien sollen 20 Menschen einziehen, im Frühling weitere 20.

"Nicht wegschauen" will der Bregenzer Bürgermeister Markus Linhart (VP). Obwohl die Quote in Bregenz bereits erfüllt sei, nehme man weitere Flüchtlinge auf.

Würden alle Gemeindepolitiker so denken, wäre Vorarlberg nicht das Schlusslicht bei der Erfüllung der Flüchtlingsquote.

Schulungsräume als Übergangsquartier

195 Plätze fehlen aktuell, sagt der zuständige Landesrat Erich Schwärzler (VP). "Der Strom von Flüchtlingen nimmt ja ständig zu, damit wird auch unser Anteil immer größer." Deshalb sollen nun Rot-Kreuz-Schulungsräume als Übergangsquartiere adaptiert werden. Bis Ende Jänner werden dann auch die größeren Quartiere, ein früheres Schulheim und ein leer stehendes Krankenhaus zur Verfügung stehen. Am Beschluss, nicht mehr als 100 Asylwerber in einer Unterkunft zu beherbergen, halte die Landesregierung fest, sagt Schwärzler.

Österreichweit sind 30.500 Asylwerber in der Grundversorgung. Nur ein Viertel der Gemeinden stellt Quartiere zur Verfügung.

Kritik vom Wiener Integrationshaus

Angesichts der derzeitigen österreichweiten Suche nach Erstaufnahmeplätzen mahnt das Wiener Integrationshaus erneut eine qualitative Flüchtlingsbetreuung ein: "Nur ein Dach über dem Kopf ist einfach zu wenig", betont Sepp Stranig, Vorstandsvorsitzender des Integrationshauses im Standard-Gespräch. "Da sind einfach ordentliche Qualitätsstandards und entsprechende Ressourcen nötig. Flüchtlinge einfach in Turnsälen und aufgelassenen Kasernen unterzubringen, entspricht dem jedenfalls nicht." Insbesondere die Unterbringung in Kasernen sei nicht nur unwürdig, sondern sogar höchst problematisch: "Wenn man bedenkt, dass diese Menschen in ihrem Heimatland möglicherweise in einer Kaserne drangsaliert wurden - und dann steckt man sie hier wieder in ein derartiges Gebäude."

Österreich müsse "Asylsuchende vor Krieg, Terror und Gewalt in Schutz nehmen, anstatt sie hier wieder zu Menschen zweiter Klasse zu machen". Andrea Eraslan-Weninger, Geschäftsführerin des Integrationshauses ergänzt: "Wir brauchen ein professionelles, österreichweites Betreuungssystem für Flüchtlinge mit Zugang zu Bildungsmaßnahmen und zum Arbeitsmarkt". Das Wiener Integrationshaus versuche nun schon seit 20 Jahren vorzuzeigen, wie eine derartige qualitative Betreuung aussehen könnte. Mit Intensivbetreuung, frauenspezifischer Beratung, psychologischer Arbeit, Sprachkursen, Bildungsangeboten und vielem mehr.

"Die Schere ist viel zu weit offen"

Dass dieses Vorbild aber von der öffentlichen Hand entsprechend honoriert würde, könne man hingegen nicht behaupten: "Die Schere zwischen dem, was von der Grundversorgung zur Verfügung gestellt wird und dem, was dringendst benötigt wird, ist viel zu weit offen." Der Betrieb im Integrationshaus könne daher nur mit Hilfe von Spenden aufrechterhalten werden.

Grundsätzlich betont Stranig: "Wir in Österreich tun immer so, als ob wir alle paar Jahre von einer Flüchtlingswelle überrascht würden - und dann werden ,Notquartiere' gesucht. Anstatt dass wir zur Kenntnis nehmen, dass es nun einmal Konflikte gibt und Ressourcen für die dringend benötigte Hilfe bereit stellen."

3507 Asylanträge im November

Der Flüchtlingsstrom nach Österreich nimmt indes weiter zu. Die nun öffentlichen Antragszahlen für den November zeigen ein Plus von 125,8 Prozent. Das heißt, alleine in diesem Monat gab es 3.507 Asylansuchende, während es im Vorjahr "nur" 1.553 waren.

Ob die räumlichen Kapazitäten ausreichen, um die Flüchtlinge über die Weihnachtsferien einigermaßen adäquat unterzubringen, wollte man im Innenministerium zuletzt nicht endgültig beurteilen. Dem Vernehmen nach dürfte man zumindest über die Feiertage kommen, ohne Zeltstädte errichten zu müssen.

Starker Anstieg in der zweiten Jahreshälfte

Insgesamt ist der Anstieg der Asylzahlen heuer jedenfalls beträchtlich. Bis inklusive November wurde insgesamt ein Plus von 43,1 Prozent bei den Anträgen verzeichnet. Aktuell verschärft wird die Lage aber dadurch, dass sich dieser Anstieg im Wesentlichen in der zweiten Jahreshälfte abgespielt hat und hier beispielsweise im September ein Plus von 149,8 oder eben im November von 125,8 Prozent registriert wurde. (frei, jub, APA, DER STANDARD, 23.12.2014)