Der kann das nicht, sagt Nationalratspräsidentin Doris Bures über ÖBB-Chef Christian Kern und dessen - kolportiertes - Interesse, in die Politik zu wechseln. Die kann das nicht, könnte man auch über Doris Bures sagen. Plumper und ungeschickter kann man Kanzler Werner Faymann kaum verteidigen und dessen - möglichen - Rivalen bestärken.

Faymann ist in einer Krise, das ist unbestritten, und kaum eine Zeitung spart derzeit mit Spekulationen, wie lange er sich noch halten wird und wer ihm nachfolgen könnte. Diese Verunsicherung, die in der Partei von der Basis bis in die Führung um sich greift, hat Bures noch einmal befeuert, indem sie den Wunschkandidaten vieler in der SPÖ frontal angreift. Ein beeindruckendes Beispiel politischer Instinktlosigkeit.

Ein anderes Beispiel der Taktlosigkeit, heimtückisch verpackt in ein scheinbares Kompliment, lieferte Wiens Bürgermeister Michael Häupl nach, der Faymann in einem Profil-Interview bescheinigte, er könne durchaus auch ein Entertainer sein. Mit dem Nachsatz: "Mag sein, dass er das nur im kleinen Kreis macht. Aber dort ist er es."

Der Kanzler und SPÖ-Vorsitzende ist in der Tat "kein rasend emotionaler Typ", wie Häupl richtig anmerkt, und Faymanns Angst vor den Medien ist evident. Faymann braucht offenbar den geschützten Rahmen, in dem er sich wohlfühlt und zurechtfindet, er hasst die unvorhergesehenen Fragen, die Konfrontation mit Kritik oder Umfragen, die ihm schlechte Werte bescheinigen. Wie es derzeit nachdrücklich der Fall ist.

Beim Parteitag war es besonders schlimm: So hilf- und wehrlos, wie der Kanzler dort der Kritik der Jugend ausgesetzt war, musste man mit ihm fast Mitleid haben. Aber das ist auch eine Stärke der SPÖ: Keine andere Partei, nicht einmal die Grünen, würde sich einer solchen Inszenierung aussetzen und einen solchen Watschentanz zulassen. Faymann versuchte es am Sonntag in der ORF-Pressestunde anzudeuten: "In der SPÖ ist halt was los." Das ist richtig, und das ist ein Unterschied zur ÖVP: In einem gnadenlos durchchoreografierten Parteitagshochamt, wie es die Schwarzen feiern, ist kein Platz für schiefe Töne, da sind Diskussionen nicht gewollt, da ist Kritik nicht vorgesehen.

Ob es schlau ist, die internen Gemetzel derart nach außen hin zu zelebrieren, sei dahingestellt. Die Partei und ihr Vorsitzender Faymann leiden nun massiv darunter. Das Stimmungstief lässt sich gut an den Umfragen ablesen, in denen die SPÖ auf Platz zwei abgerutscht ist. Das ist freilich nur eine Momentaufnahme, die entscheidenden Monate und, wenn es die Regierung mit der Steuerreform richtig macht, Jahre liegen erst vor ihr.

Ob Faymann politisch überlebt, wird erstens vom Ergebnis der Steuerreform und zweitens von den Ergebnissen der vier Landtagswahlen, die kommendes Jahr stattfinden, abhängen. Eine Serienniederlage von der Steiermark über Oberösterreich bis hin nach Wien (das Burgenland ist in diesem Zusammenhang eher zweitrangig) würde die parteiinternen Diskussionen um den SPÖ-Chef und Kanzler massiv anheizen und Faymanns Ablaufzeit radikal verkürzen. Dass es so kommt, ist gar nicht unwahrscheinlich. Dann bräuchte es nur noch ein paar Bonmots des Wiener Bürgermeisters und eine weitere Verteidigungsrede der Nationalratspräsidentin - und Faymanns Kanzlerschaft wäre endgültig Geschichte. (Michael Völker, DER STANDARD, 22.12.2014)