Querschnitt der Verdauungsorgane vonIdotea emarginata im Fluoreszenzmikroskop. Der Darm (Mitte) enthält (leuchtende) Mikroplastik-Partikel.

Foto: AWI/Julia Hämer.

Bremerhaven - Fressen Vögel oder Fische große Plastikteile, so kann das durch Verstopfungen des Magen-Darm Traktes letztlich dazu führen, dass die Tiere verhungern. "Die Effekte von kleinstem Mikroplastik auf die marine Lebewelt sind dagegen weitgehend unerforscht, so dass es eine große Unsicherheit gibt, welche Schäden entstehen können", sagt Lars Gutow vom Alfred-Wegener-Institut/Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven.

Gemeinsam mit Kollegen hat der Biologe deshalb die Meeresassel Idotea emarginata als Modellorganismus für eine erste Fallstudie ausgewählt. In Fütterungsexperimenten boten die Forscher den Asseln künstliches Algenfutter an, das mit Kunststoffpartikeln angereichert war. Das Futter enthielt drei verschiedene Sorten von Mikroplastik in unterschiedlichen Konzentrationen. Dabei wurden industriell hergestellte Partikel aus Polystyrol mit einem Durchmesser von zehn Mikrometern sowie selbst hergestellte Fragmente und Fasern aus Polyethylen bzw. Polyacryl verwendet.

Großteil wieder ausgeschieden

Anschließend untersuchten die Forscher die Gewebe der unterschiedlich gefütterten Asseln. Wie sie im Fachblatt "Environmental Science and Technology" berichten, konnten sie den Weg der Mikroplastik-Partikel durch die Tiere nachvollziehen und die Konzentrationen in den Organen bestimmen. Das Ergebnis: Die Konzentration von Mikroplastik im Futter war ebenso hoch wie in den Ausscheidungen der Asseln. Sowohl im Magen als auch im Darm der Tiere fanden sie geringe Mengen an Kunststoff. In den Verdauungsdrüsen der Asseln ließen sich keine Mikropartikel nachweisen.

"Die Meeresasseln haben das künstliche Futter mit den Mikroplastik-Partikeln gefressen und wieder ausgeschieden, ohne die Partikel zu resorbieren beziehungsweise zu akkumulieren," fasst Gutow die Ergebnisse zusammen. Die Plastik-Partikel in der untersuchten Größenordnung stellen demnach keine unmittelbare mechanische Gefahr für Meeresasseln und wahrscheinlich auch nicht für andere Krebsarten dar. "Bei Idotea emarginata geraten die von uns untersuchten Partikel nicht in die Verdauungsdrüse. In diesem sensiblen Organ findet bei Krebstieren hauptsächlich die Aufnahme von Nährstoffen statt", so der Biologe.

Unterschiedliche Reaktionen

In einem länger angelegten Experiment fanden die Forscher zudem heraus, dass die Asseln auch nach sechs bis sieben Wochen keine Langzeiteffekte zeigten. Parameter wie Überlebensrate oder Wachstum unterschieden sich nicht von Tieren aus einer Kontrollgruppe. In einer früheren Studie hatte jedoch die AWI-Biologin Angela Köhler nachgewiesen, dass Miesmuscheln Mikroplastik-Partikel aufnehmen, resorbieren und Entzündungsreaktionen zeigen, wenn sie im Experiment hohen Partikelkonzentrationen ausgesetzt sind. Das zeigt eindeutig, dass verschiedene Tierarten sehr unterschiedlich auf Mikroplastik reagieren.

"Anders als die filtrierenden Muscheln nehmen Meeresasseln der Gattung Idotea wahrscheinlich in ihrem natürlichen Lebensraum viel häufiger unverdauliche Partikel mit der Nahrung auf und sind entsprechend daran angepasst," vermutet Gutow. In Zukunft wollen die Forscher systematisch untersuchen, wie Lebensweise, Lebensraum, Physiologie und Anatomie von verschiedenen Meeresbewohnern die Aufnahme und Verwertung von Mikroplastik-Partikeln beeinflussen, um darauf aufbauend eine Gefährdungsmatrix für unterschiedliche Organismentypen erstellen. Neben den physikalischen Effekten der Plastikaufnahme müssen dafür auch chemische (toxische) und biochemische Effekte zu untersucht werden. (red, derStandard.at, 31.12.2014)