Anlässlich der Jahresendzeitstimmung will nun auch Pictotop einen Blick zurück werfen und fischt ein paar Highlights aus den unendlichen Weiten des Comic-Pools des letzten Jahres heraus.

Und damit’s keine Missverständnisse gibt: Dies ist eine kleine, vollkommen subjektive Auswahl von Comics, die eher dem Graphic-Novel-Bereich zuzuordnen sind, ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit.

Bitte posten auch Sie Ihre persönlichen Bestenlisten!

Strawanzer-Epos

Der Wiener Alexander Strohmaier hat mit seinem Langcomic-Debüt "Wild Boy" einen Überraschungshit gelandet: So spritzig, wild und drogendurchsetzt waren österreichische Comics lange nicht. Ein Dokument der Jugend- und Musikkultur der 1970er- und 80er-Jahre, das keine Eskapade auslässt. Robert Crumb lässt grüßen!

Alexander Strohmaier, "Wild Boy". 29,90 Euro / 448 Seiten, Luftschacht, Wien 2014

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Ausführlicher Artikel dazu

Foto: Strohmaier/Luftschacht

Horror für Feinspitze

Charles Burns ist seit seiner US-Teenager-Milieustudie "Black Hole" der Meister verstörender Kult-Comics. Im Herbst ist mit "Sugar Skull" der letzte Teil seiner neuen Trilogie zwischen Albtraum und Realität erschienen (nach "X’ed out" und "The Hive") – ein fulminantes Comeback! Die beiden ersten Teile liegen bereits bei Reprodukt auf Deutsch vor, "Zuckerschädel" folgt nächstes Jahr.

Charles Burns, "Sugar Skull". 14,95 Euro / 64 Seiten, Pantheon, New York 2014

Foto: Burns/Pantheon

Panoptikum der Evolution

Die Evolution als assoziatives Bildfeuerwerk: Jens Harder legt in "Beta...civilisations 1" den zweiten Teil seines Mammutwerks zur Geschichte der Menschheit vor. Ein eindringliches, wunderschön aufgemachtes Hochglanzbuch, ein Zitaterausch, der uns vor Augen führt, wie alles zusammenhängt, von den ersten Menschen bis zur Popkultur.

Jens Harder, 
"Beta ...civilisations Volume 1". 
368 Seiten / 51,30 Euro, Carlsen-Verlag, Hamburg 2014

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Ausführliche Rezension des Comics

Foto: Harder/Carlsen

Travestie-Trip

Ein Deserteur des Ersten Weltkriegs rettet sein Leben, indem er Frauenkleider anzieht – und fühlt sich immer wohler in dieser Rolle. Die grandiose Adaptierung einer wahren Geschichte aus den Goldenen Zwanzigerjahren hinterfragt Geschlechteridentitäten und Lebensentwürfe und heimste zahlreiche Auszeichnungen ein. Zu Recht!

Eine ausführliche Buchbesprechung folgt demnächst auf Pictotop.

Chloé Cruchaudet, "Das falsche Geschlecht". € 25,70 / 160 Seiten. Avant, Berlin 2014

Foto: Cruchaudet/Avant

Latino-Saga

Seit 1982 verfolgen Fans der lateinamerikanischen Saga "Love & Rockets", was aus der einstigen Punkerin Maggie Chascarillo und ihrer Gang wurde. Dafür verantwortlich zeichnen die genialen Hernandez-Brüder, die 2014 mit einem begehrten Eisner Award prämiert wurden. In "Love Bunglers" setzt Jaime Hernandez noch eins drauf: Hier kulminieren Familiengeschichte und existenzielle Fragen in einem universellen Meisterwerk – auch für Neueinsteiger geeignet.

Jaime Hernandez, "Love Bunglers". 19,99 Dollar bzw. 15,36 Euro / 104 Seiten, Fantagraphics Books, Seattle 2014

Foto: Hernandez/Fantagraphics

Anarchocomic

Was heißt es, sich zu entscheiden zwischen einer bürgerlichen Existenz und den Freiheiten eines ewigen Lebens als Anarchopunk? Nicolas Wouters und Mikael Ross versuchen darauf eine Antwort zu geben und führen mit einer raffinierten Story durch die Hausbesetzerszene in Berlin und Brüssel der 80er- und 90er-Jahre – eine farbsprühende Grenzerfahrung!

Nicolas Wouters, Mikael Ross, 
"Lauter Leben".
 104 Seiten / 19,95 Euro, Avant-Verlag, Berlin 2014

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Ausführliche Rezension des Comics

Foto: Ross,Wouters/Avant

Ösi-Anthologie

Märchenhaftes, Fantastisches, Obskures und Visionäres: In der Anthologie "Once Upon" des Künstlerkollektivs Tonto ist alles wie in einer Wundertüte verpackt. Das Grazer Herausgeber-Duo Edda Strobl und Helmut Kaplan hat wieder einmal eine hochkarätige Truppe von internationalen Zeichnerinnen und Zeichnern versammelt – experimentelle Wort-Bild-Kunst vom Feinsten!

Tonto, "Once Upon". 19,90 Euro / 80 Seiten, in Kooperation mit dem Avant-Verlag, Berlin 2014

Foto: Tonto

Afrostyle

Afrika abseits westlicher Klischees: Aya, die Hauptfigur der gleichnamigen, überaus erfolgreichen Comic-Serie, zeigt, was es heißt, sich Ende der 70er-Jahre in Abidjan, der Hauptstadt der Elfenbeinküste, durchzuschlagen. Heuer ist der Roman bei Reprodukt gesammelt in zwei Bänden erschienen – ein starkes Zeichen gegen die eurozentristische Sicht auf den afrikanischen Kontinent.
Die Reihe war auch die Grundlage für einen 2013 erschienenen, abendfüllenden Animationsfilm.

Marguerite Abouet / Clément Oubrerie, "Aya" und "Aya. Leben in Yop City". 39 Euro / 360 bzw. 376 Seiten, Reprodukt, Berlin 2014

Foto: Aya/Reprodukt

Suderanten-Klassiker

Um nur ein Werk des hochproduktiven Witzezeichners der Nation, Nicolas Mahler, hervorzuheben: "Der Weltverbesserer", die minimalistische Adaption von Thomas Bernhards Beschimpfungsklassiker, funktioniert auch als Strichmanderl-Litanei ganz fantastisch!
So wie auch die Literaturannäherungen "Lulu und das Schwarze Quadrat", frei nach Frank Wedekind, "Der Mann ohne Eigenschaften" nach Robert Musil, "Alice in Sussex", frei nach Lewis Carroll und H.C. Artmann, und "Alte Meister" von Thomas Bernhard, allesamt in der Graphic-Novel-Reihe von Suhrkamp erschienen.

Nicolas Mahler, "Der Weltverbesserer". 12,40 Euro / 124 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2014

Foto: Mahler,Bernhard/Suhrkamp

Braune Flecken

Wie leicht aus einer unkonventionellen jungen Frau eine ganz normale Nazi-Mitläuferin wird, die einfach vor den Grausamkeiten die Augen verschließt, zeigt "Irmina" in aller Deutlichkeit. Beeindruckende Bildnovelle nach der verdrängten Geschichte der Großmutter der deutschen Comic-Künstlerin Barbara Yelin.

Barbara Yelin,
 "Irmina".
 288 Seiten / 39 Euro, Reprodukt, Berlin 2014

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Ausführliche Rezension des Comics

Foto: Yelin/Reprodukt