Göttingen – Die geschlechtliche Kreuzung von zwei Pflanzenarten kann spontan dazu führen, dass sich die Hybride auf asexuelle Weise fortpflanzen. Das haben Forscher der Universität Göttingen am Beispiel verschiedener Hahnenfuß-Arten herausgefunden.

Wie sie im Fachblatt "Critical Reviews in Plant Sciences" berichten, konnten die Wissenschafter durch experimentelle Kreuzungen, mikroskopische Untersuchungen und Genommessungen zeigen, dass schon in der ersten Generation von hybriden Pflanzen eine spontane Änderung des Reproduktionsmodus einsetzen kann. In einem Folgeprojekt wollen sie nun untersuchen, ob dies auch auf die zweite Generation zutrifft.

Ausweg aus der evolutionären Sackgasse

"Der spontane Wechsel zu asexueller Fortpflanzung ist vermutlich ein Ausweg aus der Sterilität, die bei hybriden Pflanzen häufig auftritt", erklärt Elvira Hörandl, Leiterin der Abteilung Systematische Botanik an der Universität Göttingen. Die Forscher entdeckten bei den untersuchten Pflanzen Defekte bei der Bildung der Geschlechtszellen, wie sie bei Kreuzungen von Arten mit verschiedenen Chromosomensätzen häufig vorkommen.

Mit Hilfe der asexuellen Samenbildung kann die Pflanze diese Probleme umgehen und sich trotzdem erfolgreich fortpflanzen. Allerdings gibt die Pflanze die sexuelle Fortpflanzung nicht völlig auf. Asexuelle Fortpflanzung galt bislang als evolutionäre Sackgasse, weil der Verlust von genetischer Variation und Anpassungsfähigkeit zu einem frühzeitigen Aussterben der Linien führen kann. Eine weitere Untersuchung revidiert dieses Bild jedoch: Durch eine Bestandsaufnahme der Literatur für alle Gattungen der Blütenpflanzen konnten die Göttinger Wissenschafter zeigen, dass das Phänomen der asexuellen Samenbildung vor allem in großen, artenreichen und geografisch weit verbreiteten Pflanzenfamilien auftritt.

Flexibilisierung

Demnach scheint es paradoxerweise einen Zusammenhang zwischen asexueller Fortpflanzung und Biodiversität zu geben. "Asexuelle Fortpflanzung ist also kein starres System, wie man früher vermutet hat, sondern möglicherweise eine flexible Strategie der Evolution", so Hörandl. "Mit 'ein bisschen Sex' bleiben offenbar die genetischen Kontrollmechanismen für die sexuelle Fortpflanzung soweit intakt, dass asexuelle Pflanzen die Möglichkeit haben, wieder zu sexueller Fortpflanzung zurückzukehren." Damit könnten die vielen neuen Entwicklungslinien, die durch Hybridbildung entstehen, längerfristig neue Lebensräume zu erobern und sich etablieren. (red, derStandard.at, 3. 1. 2015)