Der 25-jährige Gustavo Adolfo Godoy aus Guatemala weiß, wie es ist, wenn man in den USA inhaftiert ist. Er saß in Arizona im Gefängnis, nachdem er mehrmals versucht hatte, die Grenze zu den USA zu überqueren. Jetzt will er nach Kanada. In Mexiko stellt Godoy Kunstblumen her, um Geld zu verdienen.

Foto: Anna Surinyach/MSF

Manchmal müssen die Migranten in Mexiko Stunden oder Tage warten, weil die Güterzüge so stark verspätet sind.

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Die Reise auf dem "Biest" ist hart und gefährlich. Mehr als 60 Prozent der Migranten, die von Ärzte ohne Grenzen behandelt werden, wurden mit Gewalt auf ihrer Route konfrontiert.

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Das Flüchtlingscamp Majok Lop an der Grenze zwischen dem Sudan und Südsudan.

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Die Regenzeit, die mehrere Monate dauert, beeinflusst das Leben der verletzlichsten Mitglieder der Gesellschaft im Südsudan.

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"Als ich die abgebrannten Häuser gesehen habe, habe ich meinen Leuten gesagt: Es gibt nichts mehr. Wir müssen gehen", erzählt Anthilio Akon, der Vorsitzende der Gemeinde, die vor der Gewalt in der Region des Kiir-Flusses im Südsudan geflohen war.

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Nachdem er an Demonstrationen gegen das syrische Regime teilgenommen hatte, wollten Sicherheitsbeamte Hassan festnehmen. Er sprang aus dem dritten Stock, um zu fliehen, und verletzte sich dabei am Rücken. Sein Gesundheitszustand hat sich auch seit der Ankunft in der Türkei nicht gebessert, Hassan braucht vielleicht eine Operation.

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An den meisten Tagen verwendet die Familie das Internet, um Kontakt zu ihren Angehörigen in Syrien zu halten. Und das wird noch länger so sein, denn sie wollen nicht nach Syrien zurückkehren, bevor der Krieg vorbei ist.

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Die Familie wächst. Im Juni 2013 wurde Zein al Sham geboren, Hassans erstes Kind, das im Exil zur Welt kam.

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Am Beginn stand die Flüchtlingskrise in Syrien, die mehr als neun Millionen Menschen innerhalb des Landes und aus Syrien vertrieben hatte. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen wollte Aufmerksamkeit auf das Thema lenken, die Flüchtlinge auf ihrem Weg begleiten, ihre Geschichten erzählen und mit Personalisierung kulturelle Unterschiede überwinden.

Drei Krisen wurden filmisch festgehalten: die Binnenflüchtlinge im Südsudan, wo seit mehr als einem Jahr ein Bürgerkrieg herrscht, die Migranten aus Mexiko, die vor der Bandengewalt in die USA fliehen, und die Schicksale in den Flüchtlingslagern um Syrien.

Koordinator Agus Morales von Ärzte ohne Grenzen Spanien verbrachte mit seinem Team sechs Wochen an den Schauplätzen und dokumentierte mit "Exodus" die Geschichten der Geflohenen. Mit derStandard.at sprach er über die Gemeinsamkeiten der Krisen und die Probleme der Flüchtlinge.

MSF
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derStandard.at: Was war die bewegendste Geschichte, die Sie im Zuge der Dokumentation gehört haben?

Morales: Als wir im Februar und März dieses Jahres im Südsudan waren, hatten die Kampfhandlungen ihren Höhepunkt erreicht. Aus einer Stadt waren alleine 150.000 Menschen zu Fuß geflüchtet. Wir trafen in einer Einrichtung von Ärzte ohne Grenzen einen Lehrer, der etwa zehn Tage zuvor geflohen war. Er war zu Hause, als eine Bombe in der Nachbarschaft einschlug, und verletzte sich am Fuß. Als der Mann schließlich ins Krankenhaus ging, stürmten Bewaffnete die Einrichtung. Er konnte wegen seiner Verletzung das Spital für elf Tage nicht verlassen, bis ihn Helfer abholten und in Sicherheit brachten.

derStandard.at: Wie wurden die porträtierten Länder ausgewählt?

Morales: Das Projekt "Exodus" ist ein Spiegel der Gewalt, die weltweit stattfindet. Wir wollten die drei großen Gruppen der Flüchtlinge zeigen. Syrien war mit seinen drei Millionen Flüchtlingen unser Beispiel für Menschen, die ihr Land verlassen. Der Südsudan zeigt die Tragödie von Binnenflüchtlingen im eigenen Land, und Mexiko ist exemplarisch für Migranten, die vor Bandengewalt flüchten.

derStandard.at: Wie unterscheiden sich die Schicksale der Flüchtlinge in den drei Ländern, und was verbindet sie vielleicht auch?

Morales: Die Tragödien ähneln sich, denn all diese Menschen fliehen vor Gewalt. Worin sie sich vielleicht am meisten unterscheiden, sind die Routen, die sie wählen. Im Südsudan fliehen die Menschen zu Fuß in einen anderen Teil des Landes. In Mexiko besteigen die Migranten einen Güterzug, der "das Biest" genannt wird und in die USA führt. Und in Syrien fliehen die Menschen über die Grenzen in die Nachbarländer.

derStandard.at: Jedes Monat im vergangenen Jahr überquerten rund 150.000 Syrer die Grenzen in die Nachbarländer. Im Oktober waren das laut UN-Flüchtlingshilfwerk nur noch 18.000 Personen. Wie wirkt sich das auf die Situation der Flüchtlinge in Syrien aus?

Morales: Nach fast vier Jahren Krieg im Land sind die Flüchtlinge, die sich noch in Syrien befinden, am Verwundbarsten. Sie sind eingeschlossen. Das betrifft immerhin sieben Millionen Menschen, die keine Hilfsgüter erreichen und die sich in einer sehr schlechten Situation befinden.

derStandard.at: Wollen die Menschen lieber in ihren Exilländern bleiben oder wieder in die Heimat zurückkehren?

Morales: Als wir im Frühling 2013 zum ersten Mal in die Flüchtlingslager reisten, hatte ich das Gefühl, dass die Leute wieder zurück in ihre Heimatländer wollen. Als wir aber später wieder zurückkehrten, war den Flüchtlingen bewusst geworden, dass die Konflikte länger dauern. Sie haben sich an die Situation in den Exilländern gewöhnt, vermissen aber sehr wohl ihre Heimatländer.

derStandard.at: Welche Probleme haben die Flüchtlinge in den einzelnen Ländern, was brauchen sie?

Morales: In Syrien findet im Moment die größte Krise seit Jahrzehnten statt. Die meisten Flüchtlinge sind in Nachbarländern untergekommen, die mit der Situation überfordert sind. Europa und die westlichen Staaten nehmen zu wenige Syrer auf. Es gibt keinen großen Kompromiss. Im Südsudan haben wir eine sehr schwierige Situation, da es zusätzlich zu der Flüchtlingskrise im Land auch noch Krieg gibt. Die Lage der Menschen ist komplexer, weil auch noch Mangelernährung in den Flüchtlingslagern dazukommt.

In Mexiko sind wir mit einem Phänomen konfrontiert, das in den vergangenen Jahren immer stärker gewachsen ist. Dort gibt es Migranten, die vor der Gewalt der Banden im Land fliehen, aber nur sehr geringe Chancen auf Asyl in den USA haben.

derStandard.at: Gab es für das Dokumentarteam jemals Probleme in einem der Länder?

Morales: Probleme gab es keine. Wir haben in erster Linie mit Patienten von Ärzte ohne Grenzen vor Ort gesprochen, denen wir geholfen haben.

derStandard.at: Ärzte ohne Grenzen hat bereits in der Vergangenheit ähnliche Projekte wie "Exodus" initiiert. Wie wurden diese von der Öffentlichkeit angenommen?

Morales: Die persönlichen Geschichten der Flüchtlinge machen immer betroffen. Das ist das Feedback, das wir von den Leuten bekommen. Normalerweise interessieren Krisen wie die im Südsudan die Öffentlichkeit nur in Maßen. Durch die Personalisierung des Krieges überwinden wir aber die kulturellen Unterschiede. (Bianca Blei, derStandard.at, 17.12.2014)