Wenn es darum geht, Futtermengen einzuschätzen, sind Wölfe begabter als Hunde.

Foto: Walter Vorbeck

Hunde haben diese Fähigkeit vermutlich nach und nach verloren, da sie weitgehend von Menschen versorgt werden, glauben die Forscher.

Foto: Clever Dog Lab / Vetmeduni Vienna

Wien - Um Mengen beurteilen zu können, brauchen Menschen und Tiere ein gewisses numerisches Verständnis. Löwen, Schimpansen und Hyänen beispielsweise wehren sich nur dann gegen eine Gruppe von Angreifern, wenn sie selbst in der Überzahl sind. Daraus lässt sich schließen, dass diese Tiere numerische Informationen für ihr soziales Leben verwenden.

Auch wenn es um die Suche nach Futter geht, ist die Fähigkeit, Mengen einzuschätzen, hilfreich. Wissenschafter von der Vetmeduni Vienna haben nun untersucht, wie es um diese Begabung bei Hunden steht. Offenbar schlechter als bei ihren Vorfahren, wie sich zeigte: Die Forscher fanden heraus, dass Wölfe bei dieser Aufgabe viel besser abschneiden als ihre domestizierten Artgenossen. Eine mögliche Erklärung ist, dass diese Fähigkeit, oder die Voraussetzung dafür, durch Domestikation verloren gegangen ist.

Friederike Range und Zsofia Virányi vom Messerli Forschungsinstitut an der Vetmeduni Vienna haben im Jahr 2012 bereits gezeigt, dass Wölfe zwischen verschiedenen Futtermengen unterscheiden können. In ihrer aktuellen Studie untersuchten sie, ob auch Hunde diese Fähigkeit besitzen, oder ob sie diese Art der numerischen Vorstellungskraft im Laufe der Domestizierung verloren haben.

Käse für die Test-Hunde

Range und ihre Kolleginnen von der Abteilung für Vergleichende Kognitionsforschung testeten dafür 13 Mischlingshunde, die im Wolf Science Center in Ernstbrunn, aufgewachsen sind und dort in mehreren Rudeln leben. Die Forscherinnen testeten das Vorstellungsvermögen der Hunde, indem sie ihnen nacheinander einzelne Käsestücke zeigten, die dann gleich in einer undurchsichtigen Röhre verschwanden. Im Experiment gab es dazu zwei Röhren, eine links und eine rechts. Die Hunde sollten unterscheiden, in welcher Röhre mehr Käsestückchen gelandet waren. Mit einem Druck auf den richtigen Buzzer wurden die Hunde dann mit den Käsestückchen aus der Röhre belohnt. Den Menschen, der die Stücke in die Röhre fallen ließ, sahen die Tiere nicht. Die Beeinflussung durch den Menschen ist somit so gut wie ausgeschlossen.

"Wir haben bewusst so getestet, dass die Hunde die gesamte Menge der Futterstücke nie zu Gesicht bekommen haben. Wir zeigten Ihnen die Stücke immer hintereinander. Damit schließen wir aus, dass sich die Hunde an einfachen Faktoren wie beispielsweise dem Gesamtvolumen orientieren. Wie viele Stücke sich am Ende in einer Röhre befanden, mussten sich die Hunde also vorstellen", erklärt die Erstautorin Range.

Wölfe können besser "zählen"

Range und ihre Kolleginnen verglichen die Ergebnisse aus den Wolf-Tests mit jenen aus den Hunde-Tests. Es stellte sich heraus, dass Hunde schwierige Vergleiche wie zum Beispiel zwei Futterstücke gegen drei oder drei Stücke gegen vier nicht unterscheiden können, während die Wölfe darin recht gut sind. "Hunde können die Futtermengen dann gut unterscheiden, wenn sie die Gesamtheit vor Augen haben", betont Range. "Hierfür benötigen sie aber weniger ihre Vorstellungskraft".

Range und ihr Team untersuchen nun, warum die Hunde in diesem Test so schlecht abgeschlossen haben: liegt es daran, dass sie Schwierigkeiten haben numerische Informationen zu verarbeiten, oder hapert es an der Vorstellungskraft. Es könnte sein, dass durch die Domestikation eine dieser Fähigkeiten verloren gegangen ist, wie sie im Fachjournal "Frontiers in Psychology" schreiben. Grund dafür könnte der Mensch sein. "Haushunde müssen sich nicht mehr um die Futterbesorgung kümmern. Auch der Schlafplatz ist gesichert und die Partnerwahl von Menschenhand geplant. Der Hund ist somit von der natürlichen Selektion ausgenommen", meint Range. (red, derStandard.at, 16.12.2014)