Hier lernt man (auch) etwas über Selbstausbeutung.

Foto: delius klasing

Bei den derzeit herrschenden Witterungs- und damit zusammenhängend den Fahrbahnbedingungen kommt man a priori ja nicht gerade auf die Idee, im freien Gelände lange Strecken mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Es sei denn, man ist Sportler oder ein Velo-Enthusiast. Wem aber nicht unbedingt nach persönlicher Gatscherfahrung und Eiszapfentour ist, kann sich mittels Lektüre in die freie Wildbahn begeben.

Statt frei nach Charles "Hank" Bukowski selig auf der Suche nach der Freiheit "auf dem Stahlross ins Nirwana" zu brettern, entschloss sich Thomas Widerin, seine persönliche Pilgerreise mit dem Drahtesel zu unternehmen.

Widerin, erfahrener Leichtathlet und Ex-Spitzensportler, hauptberuflich Polizist im Tiroler Telfs, nebenberuflich Bergretter, begab sich auf seine subjektive Tour d'Horizon, indem er den amerikanischen Kontinent mit dem Fahrrad durchquerte. Zeugnis dieses Canossagangs entlang der Route 66 an die eigenen Grenzen ist der Erfahrungsbericht Meilenweit zur Kühlbox. Widerin beschreibt die unsäglichen und unvorhersehbaren Herausforderungen und Strapazen, denen er auf seinen Reisen ausgesetzt war.

Von Küste zu Küste

Noch bevor er die 11.000 Kilometer lange Strecke "from coast to coast" beginnen konnte, war sein Rad verschwunden, dann wurde er durch Highway-Patrolmen gestoppt und verbrachte geraume Zeit auf der Polizeistation. In launig-flapsigem Plauderton erzählt der Exzentriker von Begegnungen mit Grizzlybären, Wölfen, Dieben im Waschsalon, von einer Kühlbox in der Wüste, von Hundeattacken, Begegnungen der dritten Art, von Schlangen, Friedhofsvisiten, von Tornados, Schlammschlachten, Schneestürmen und Hitzewallungen. Keine Winnie-the-Pooh-Tour für zarte Gemüter.

Was es bedeutet, sich vollkommen selbst auszubeuten, erfährt man im Endeffekt auch. Widerins psychischer sowie physischer Zusammenbruch und sein Comeback relativieren den selbsternannten Heldenmythos Richtung Realität. (Gregor Auenhammer, DER STANDARD, 11.12.2014)