Oligodendrozyten-Vorläuferzellen (grün) im Gehirn beeinflussen die synaptische Übertragung zwischen Nervenzellen (rot) des neuronalen Netzwerks.

Foto: JGU

Mainz - Forscher der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben eine neue Verbindung im Gehirn entdeckt, die für Lernprozesse und die Verarbeitung von Empfindungen eine wichtige Rolle spielt. Schon bisher war bekannt, dass bestimmte sogenannte Gliazellen Informationen von Neuronen empfangen. Dass aber auch umgekehrt ein Informationsfluss von den Gliazellen an die Neuronen besteht, ist neu.

Die Mainzer Forscher konnten nun an Mäusen den grundlegenden Mechanismus dafür aufdecken und von der molekularen über die zelluläre Ebene zur Netzwerks- und schließlich bis zur Verhaltensebene untersuchen. Die Ergebnisse wurden im Fachblatt "Plos Biology" veröffentlicht.

Die Gliazellen setzen dazu offenbar ein Proteinfragment frei, das an die synaptischen Kontaktpunkte andocken dürfte, über die Neuronen untereinander Informationen austauschen. Wird diese Informationsweiterleitung unterbrochen, zeigt das neuronale Netzwerk Veränderungen, etwa bei zellulären Lernprozessen.

Impuls-Verbindung

Im Gehirn von Säugetieren befinden sich wesentlich mehr Gliazellen als Nervenzellen, aber was genau zu ihren Aufgaben gehört, ist noch weitgehend unbekannt. Von einer bestimmten Art von Gliazellen, den Oligodendrozyten-Vorläuferzellen, weiß man, dass sie sich zu Oligodendrozyten entwickeln, die dann die Nervenzellfortsätze (Axone) mit einer schützenden Myelinhülle umgeben und so zur schnellen Weiterleitung von Informationsimpulsen beitragen.

Interessanterweise sind diese Vorläuferzellen auch im erwachsenen Alter in allen Gehirnregionen als eine stabile Population vorzufinden und machen immerhin fünf bis acht Prozent aller Gehirnzellen aus. Diese Vorläuferzellen, kurz OPC (Oligodendrocyte Precursor Cells) genannt, haben sich die Forscher nun genauer angesehen. "Wie wir jetzt entdeckt haben, empfangen die Vorläuferzellen nicht nur Informationen über die Synapsen, sondern sie senden ihrerseits auch Signale an benachbarte Nervenzellen aus", erklärt Ko-Autorin Jacqueline Trotter. "Sie sind damit ein essenzielles Mitglied des gesamten Netzwerkes."

Verhaltensänderungen

Die diversen Funktionen des Gehirns wurden früher im Wesentlichen durch die Neuronen erklärt. In den letzten Jahren zeigt sich aber zunehmend, dass Gliazellen womöglich eine ebenbürtige Rolle spielen könnten. Die Kommunikationskette beginnt damit, dass Informationen von Neuronen zu den OPC über den synaptischen Spalt mithilfe des Neurotransmitters Glutamat übertragen werden. In den OPC erhöht sich die Aktivität der Alpha-Sekretase ADAM 10. Sie spaltet nun vermehrt einen Teil des Proteins NG2 von der Vorläuferzelle ab, das dann durch den extrazellulären Raum zu den Nervenzellen wandert.

Darauf reagieren die Neuronen mit geänderten elektrischen Strömen, die messbar sind. "Wir können über sogenannte Patch-Clamp-Messungen den Zellen sozusagen zuhören, wie sie miteinander kommunizieren", sagt Thomas Mittmann, der ebenfalls an der Arbeit beteiligt war. Der ganze Mechanismus beginne bereits bei dem Informationsempfang an den OPC, das heißt die Rückmeldung an die Neuronen sei nicht losgelöst vom Empfang zu betrachten.

Wie wichtig die Funktion von NG2 in diesem Ablauf ist, zeigte sich, als die Forscher das Protein entfernten: Die Synapsen der Neuronen änderten dann ihre Funktion, die zellulären Lernvorgänge waren eingeschränkt und die Empfindungsverarbeitung war gestört, was sich wiederum im Verhalten der Versuchstiere zeigte. (red, derStandard.at, 3. 1. 2015)