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Das Gift HCB wurde bereits in Milchprodukten, Fleisch und Futtermitteln nachgewiesen.

Foto: dpa/Marcus Brandt

Im Umweltskandal um das hochgiftige Hexachlorbenzol (HCB), mit dem das Kärntner Görtschitztal verseucht wurde, wird die Öffentlichkeit jetzt täglich mit schlimmeren Details konfrontiert. Dabei dürfte sich im Umweltskandal auch ein Vertuschungsskandal offenbaren. Schlimm genug, dass das Gift eben nicht "nur" in Milchprodukten der Region gefunden wurde, sondern auch in Fleisch und Futtermitteln. Schlimm genug, dass mittlerweile sämtliche Produkte und alle Böden der Region unter Verdacht stehen und geprüft werden müssen. Besonders erschütternd ist dabei aber auch der Umgang der Politik mit der brisanten Situation.

Bisher wurde die Bevölkerung vor allem beschwichtigt. Mit Sätzen wie: "Es besteht keine akute Gesundheitsgefahr." Das kann man seriöserweise so nicht sagen - auch weil man noch gar nicht alle Proben ausgewertet hat. Hunderte Bauernhöfe wurden in den letzten Tagen überprüft. Der Eindruck, den das Land bei angekündigten und verschobenen Blutabnahmen machte, das Gefühl, das man bei Bürgern im Tal hinterlässt, die ihre Lebensmittel zum Testen zu eigens eingerichteten Stellen bringen, um dort auf Ergebnisse im März 2015 vertröstet zu werden, sind erbärmlich.

Aber es kommt noch dicker: Denn die Ergebnisse könnte man alle längst haben. Am Donnerstag wurde bekannt, dass die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) bereits im März 2014 Grenzwertüberschreitungen entdeckt hatte. Im März! Die Ages weist Vertuschungsvorwürfe von sich, habe sie doch im Auftrag des Landes geprüft und dieses auch umgehend informiert: Die Analysen wurden der Lebensmitteluntersuchungsanstalt und der Lebensmittelaufsicht Kärnten zugestellt. Das Land muss aber auf die Bevölkerung vergessen haben. Die erfuhr nämlich erst durch eine Offensive der Umweltorganisation Greenpeace im Dezember von der Gefahr.

Und die Gefahr darf man nicht kleinreden: Es ging nicht bloß um erhöhte Werte, sondern um Grenzwertüberschreitungen. Eine Bröseltopfenprobe, die von der Ages untersucht wurde, wies sogar im günstigsten Fall das Vierfache des erlaubten Wertes auf. Zur Erinnerung: HCB ist nicht irgendein Gift. Es gehört zum sogenannten dreckigen Dutzend, also zu zwölf Giftstoffen, die schon im Mai 2001 weltweit verboten wurden.

Die Ages ist nicht irgendein Verein, der als Hobby Proben zieht. Die Agentur ist im Besitz der Republik Österreich. Doch sie kann nicht von sich aus die Öffentlichkeit informieren.

Ein Umstand, dem Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) Abhilfe schaffen könnte. Fehlende Informationspflicht darf hier keine Ausrede mehr sein: Es gibt seit 1998 einen völkerrechtlichen Vertrag, die sogenannte Aarhus-Konvention, die den Bürgern jener 47 Staaten, die ihn ratifiziert haben, umfassenden Zugriff auf Umweltinformationen zusichert. Jedoch: Österreich hat die Konvention noch immer nicht in allen Punkten ratifiziert. 2011 wurde man dafür gerügt, 2014 wurde mit Klagen gedroht. Jetzt sollte der Minister schleunigst reagieren. Es gibt keine Ausreden mehr.

Die Landesregierung muss jedenfalls schon im März zumindest teilweise Bescheid gewusst haben. Da könnten SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser, der grüne Umweltlandesrat Rolf Holub und ihre gesamte rot-schwarz-grüne Koalition in eine schwere Regierungskrise schlittern - wenn sie nicht schon mittendrin sind. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 12.12.2014)