Schön, dass Sie da sind. Willkommen bei "Serienreif". Hier reden wir über TV-Serien und alles was dazu gehört. Wir, das sind in diesem Fall zwei Redakteurinnen und eine Community-Managerin von derStandard.at - aber das tut inhaltlich kaum was zur Sache. Für den Anfang haben wir uns Girls ausgesucht. Die Serie, in der vier junge Frauen in New York ihren Platz in der Welt suchen. Am 11. Jänner 2015 läuft in den USA Staffel Vier an - ein Anlass, über Grundsätzliches zu reden. Als Einstimmung der Trailer zur vierten Staffel? Bitteschön.

HBO

Michaela Kampl: Meine Damen, lasst uns mal darüber reden, worum es in der Serie für jede einzelne von uns eigentlich geht?

Julia Meyer: Die Serie ist skurril. Die vier Mädchen, die sich da durch New York schlagen, sind mal laut überzeichnet, mal erschreckend nah an alltäglichen Situationen dran. Und nicht selten verzerrt sich mein Gesicht bei Szenen. Fremdschämfaktormäßig. Der Grund überhaupt einzusteigen waren die medialen Lorbeeren. Die Ansage, dass interessante Frauenfiguren portraitiert werden, neuer, frischer Blick usw. Was Medien so zu schreiben pflegen.

Zunächst war ich enttäuscht und fürchterlich genervt, von der Serie - und den Lorbeeren gleichermaßen. Vor lauter Empörung bin ich dabei geblieben. Dann ist mir eingefallen, dass ich ein Stück älter bin (sei milde!) und dann aufgefallen, dass mir viel von dem Wirren doch schmerzlich bekannt vorkommt. Für mich ist das Ganze also eine Art Coming-of-Age-Geschichte. Wie komm ich wohin und wie weiß ich verdammt nochmal wohin ich will und wen ich dabei haben will. Kaffee trinken möchte ich übrigens mit keiner von denen.

Daniela Rom: Bei mir hat es die erste und einen guten Teil der zweiten Staffel gedauert, bis ich es gut fand. Die Charaktere sind sehr überzeichnet, treffen in ihrem - teilweise - Irrsinn aber viele Wahrheiten auf den Kopf. Was mich dann letztendlich überzeugt hat, ist, dass Girls die kleinen Geschichten des Erwachsenwerdens erzählt, die peinlichen Details, und weniger die grossen Heldentaten. Viele der Figuren gehen mir aber wahnsinnig auf die Nerven, allen voran Hannah.

Michaela Kampl: Ich mag sie irgendwie alle. Wie sie versuchen, gescheit zu sein und wichtige und vor allem richtige Entscheidungen zu treffen und besserwisserisch über das Leben der jeweils anderen reden, das gefällt mir und das kenn ich auch. Dass es ein zwei drei Folgen gedauert hat, bis ich reingekommen bin, liegt vermutlich daran, dass die Dialoge, die bei Girls vorkommen, für mich so sind wie die Sexszenen über die soviel geredet wird: Ungewohnt und so real. Also ein bißchen dreckig, ein bißchen peinlich, ein bißchen Machtspiel. Ich glaub, für mich geht's um Frauenfreundschaften - und auch ums vielzitierte Erwachsenwerden - aber das nur nebenbei aber auch gleichzeitig.

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Lena Dunham als Hannah Horvath in Girls.
Foto: AP Photo/HBO, Jessica Miglio

Daniela Rom: Im Vergleich zu all dem Hochglanz-Zeug ist Girls "echt" - das ist sowohl das Gute, als auch das Nervige dran. Man findet sich wieder, in seinem 23-jahre alten Ich, und leider manchmal noch immer.

Julia Meyer: Wie wahr! Das ist dann auch das Gute an der Serie. Was für mich bei den Nervigkeiten allerdings besonders heraus sticht und auch immer wieder leicht aggressiv stimmt, ist die Art wie Freundschaft thematisiert wird. Ich verstehe auch nach drei Staffeln noch nicht wirklich, was sie verbindet. Es geht ständig um unterschiedliche Arten von Sehnsüchten, unter anderem auch nach freundschaftlicher Nähe. Aber ich habe kaum einmal das Gefühl, dass die Figuren sich tatsächlich etwas zu sagen hätten. Loyalität wird mehr als Drehbuchvorgabe gesetzt und nicht innerhalb der Handlung erspielt. Nennt mich pathetisch, aber für eine Serie, die Freundschaft thematisiert, erwarte ich mir doch an den wenigen Gesprächen, wo sowas wie Austausch stattfinden soll, weniger Plattheit. Die harten, die selbstsüchtigen, destruktiven und auch recht realistischen Szenen hingegen funktionieren.

Michaela Kampl: Julia, ich glaub, ich weiß was du meinst, aber ich bin nicht ganz deiner Meinung. Die Freundschaften, zumindest deren Beginn, liegt irgendwo in der Vergangenheit. Das setzt, würden wir es auf eine RomCom umlegen nach dem Happy End ein. Also dann wenn es beginnt ein wenig schwieriger zu werden. Es gibt eine gemeinsame Basis, sei es College oder Schule oder Familien zwischen den jungen Frauen und jetzt stellt sich die Frage, ob sie das was sie vor einigen Jahren zusammengebracht hat, auch in die nächste Lebensphase mitnehmen können. Freundschaften sind ja nichts statisches. Hannah fasst das in der zweiten Staffel auch mal zusammen: "A friendship between college girls is grander and more dramatic than any romance." Das is es.

Julia Meyer: Ja, das Argument versteh ich und find ich gut. Vor allem, dass die Serie mit einem Überbetonen des Guten schnell in einer RomCom-Schiene landen würde leuchtet mir ein. Vielleicht ist es aber auch so, dass ich bei einer Serie, die von einer Frau geschrieben, produziert wurde (Regie macht Dunham ja auch noch!), irgendwie schneller bei so einem schrägen Identifikationswillen lande. Spricht jetzt nicht für eine sonderlich große analytische Distanz. Ich möchte dann eben auch neben der Radikalität auch sowas wie eine verdammte Freundschaftsgeschichte, an die ich auch positiv anknüpfen kann. Aber nochmal: das ist vermutlich ein Anspruch, den ich vor allem aufgrund des weiblichen Settings einfordere. Ob das jetzt einen feministischen Anstrich hat oder genau das Gegenteil von Feminismus ist, wage ich nicht zu beurteilen.

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Von links nach rechts: Jemima Kirke, Lena Dunham, Allison Williams und Zosia Mamet oder Jessa, Hannah, Marnie und Shoshana.
Foto: Charles Sykes/Invision/AP

Daniela Rom: Girls entzieht sich bekannten Mustern, die wir aus "Frauenserien" kennen - vorausgesetzt wir hinterfragen jetzt nicht auch noch das heterosexuell, weiße Mittelschicht-Setting. Die Männerfiguren sind erstens austauschbar, zweitens genauso kompliziert und seltsam und nervig, wie die Frauenfiguren. Für mich steht im Zentrum all der Geschichten in Girls immer der Versuch junger Frauen, sich ihren Platz in der Welt zu suchen, ohne tradierte Frauenbilder abzubilden. Das macht die Serie und Lena Dunham wahrscheinlich auch zu so einer Zielscheibe für Kritik.

Michaela Kampl: Ich weiß eigentlich auch nicht, was genau eine Frauenserie sein soll. Spielen da nur Frauen mit, schauen nur Frauen zu, oder beides? Und warum sind dann Serien, in denen nur Männer mitspielen, oder die nur von Männern gemacht werden keine Männerserien?

Daniela Rom: Vielleicht ist Girls die Serifizierung dessen, dass diese Labels einfach ein Riesenblödsinn sind.

Julia Meyer: Vielleicht. Vermutlich. Ich weiß es nicht. Ich glaub, die Fragen sind aber prinzipiell zu groß für den Moment. (jmy, mka, roda, derStandard.at, 8.1.2015)