Wien - Turbulenzen im Wiener Allgemeinen Krankenhaus (AKH): Wenn das Ärztearbeitszeitgesetz am 1. Jänner in Kraft tritt, dürfen Ärzte nur noch 48 Stunden arbeiten - außer sie stimmen mittels Opt-out zu, weiterhin mehr zu arbeiten. Sind nur wenige Ärzte dazu bereit, werden auch weniger Ärzte im Krankenhaus Journaldienste leisten. Die extra bezahlten Nachtdienste sind dadurch nur noch eingeschränkt möglich, also bedeutet die Regelung auch finanzielle Einbußen für Ärzte.

Der Betriebsrat verhandelt mit Rektorat und Wissenschaftsministerium über höhere Grundgehälter, doch der Betriebsratsvorsitzende Ingwald Strasser ist zurückgetreten - noch gibt es keine Begründung dafür. Die Belegschaft ist verunsichert.

Unterschrift als indirektes Einverständnis

Peter Husslein, Klinikchef für Frauenheilkunde am AKH, warnt im STANDARD-Gespräch vor dem Kollaps im größten Krankenhaus Österreichs: "Wenn bis 1. Jänner nichts passiert, bricht der Betrieb zusammen." Er spricht von einer "eindrucksvollen Verantwortungslosigkeit der Politiker". Sie hätten es verabsäumt, die EU-Vorgabe rechtzeitig und sinnvoll umzusetzen: "Übrig bleiben Ärzte und Patienten", sagt der Frauenarzt.

Bereits vor Wochen wollte Wolfgang Schütz, Rektor der Med-Uni Wien, von seinen Ärzten wissen, wer dem Opt-out zustimmen werde. Antworten hat er schon, Auskunft darüber, wie die Ärzte reagiert haben, will sein Büro noch nicht geben.

Die Ärzteschaft ist gespalten: Eine Unterschrift ist auch ein indirektes Einverständnis, die bisherigen Arbeitsbedingungen weiter zu akzeptieren, gegen die sie aber immer wieder protestiert haben. Wer aber nicht zustimmt, verdient deutlich weniger.

Einige Kliniken wollten zunächst geschlossen nicht unterschreiben, nun droht die Konsequenz: Wenn alle an einer Station nur noch 48 Stunden pro Woche arbeiten, könnten Diensträder gestrichen werden. Die Ärzte schwanken wieder und überlegen, dem Opt-out doch geschlossen zuzustimmen. Genau das versucht aber der Betriebsrat zu verhindern. Es dürfe kein Druck auf die Belegschaft ausgeübt werden.

Husslein: Ärztegehälter sind "Verhöhnung"

Martin Andreas, Stellvertreter des zurückgetretenen Betriebsratsvorsitzenden, versichert, dass mit Hochdruck an einer Lösung gearbeitet werde, und hofft auf einen Abschluss vor Weihnachten. Es sei eine zweite Sitzung mit dem zuständigen Wissenschaftsministerium geplant, sagt er dem Standard. Auch das Rektorat ist eingebunden. Für ihn ist das aber kein AKH- oder Wien-spezifisches Problem, sondern ein österreichweites. Eine Anpassung der Ärztegehälter an Deutschland sei dringend notwendig, denn dorthin wandern die meisten Ärzte aus. Dem stimmt auch Husslein zu, denn die österreichischen Ärztegehälter seien eine "Verhöhnung". Für die lange Ausbildung und tägliche Verantwortung der Ärzte ist die Bezahlung "inakzeptabel niedrig".

Andreas will aber auch das Pflegepersonal in die Pflicht nehmen, damit Routinetätigkeiten wie Infusionen oder Blutabnahmen von diesem übernommen werden. Für Husslein ist das zu einfach, denn auch der Pflegebereich leide unter Personalmangel. Die Mitarbeiter müssten auch Essen verteilen und putzen: "Sie können nicht nach oben und nach unten ausgleichen", sagt Husslein.

Die Wiener Ärztekammer bereitet sich auf das Äußerste vor: Bei der Vollversammlung am Dienstagabend wurden für "allfällige Kampf- und Streikmaßnahmen" Geldmittel beschlossen. (Marie-Theres Egyed, DER STANDARD, 11.12.2014)