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Hunderttausende nahmen heuer die oftmals gefährliche Flucht auf hoher See in Kauf.

Foto: AP Photo/Haris Milonas

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Grafik: APA, Quelle: APA/UNHCR

Genf - Nach UNO-Angaben sind im Jahr 2014 mehr Menschen als jemals zuvor per Schiff aus ihren Heimatregionen geflohen. Rund 340.000 Menschen nahmen demnach seit Jänner gefährliche Schiffsüberfahrten auf sich, um bewaffneten Konflikten, Verfolgung oder wirtschaftlicher Not zu entkommen. Etwa 4.245 seien dabei ums Leben gekommen, hieß es.

Größter Brennpunkt ist demnach das Mittelmeer. Rund 207.000 Menschen überquerten es laut UN-Angaben seit Jänner, vor allem wegen der Krisen in Libyen und Syrien. Das entspricht dem Dreifachen der Höchstzahlen des Jahres 2011, als der Bürgerkrieg in Libyen 70.000 Menschen in die Flucht trieb. Mindestens 3.419 Menschen kamen dabei heuer ums Leben – ebenfalls ein Rekordwert.

Eine hohe Zahl an Überfahrten wird auch am Horn von Afrika beobachtet. Bis Ende November überquerten dort über 82.000 Personen den Golf von Aden und das Rote Meer. Es handelte sich hauptsächlich um Flüchtlinge aus Somalia und Äthiopien, die in den Jemen oder auch weiter nach Saudi-Arabien oder in die Länder des Persischen Golfs gelangen wollten. Rund 54.000 wagten eine Überfahrt in Südostasien, um aus Bangladesch und Myanmar nach Thailand, Malaysia und Indonesien zu gelangen. In der Karibik waren es knapp 5.000 Menschen.

Flüchtlingskommissar warnt

Die UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR warnte die internationale Gemeinschaft und vor allem die Küstenstaaten davor, den Fokus auf die Lebensrettung zu verlieren. UNHCR-Hochkommissar António Guterres sagte, dass Regierungen immer häufiger Flüchtlinge auf Meeresüberfahrt lieber außerhalb des eigenen Territoriums sehen als ihnen Asyl zu bieten.

"Es ist ein Fehler und genau die falsche Reaktion in einer Zeit, in der eine Rekordzahl an Menschen vor Kriegen flieht", so Guterres. "Sicherheit und die Steuerung der Zuwanderung sind für jedes Land von Bedeutung, aber Regelungen müssen derart gestaltet sein, dass sie den Verlust von Menschenleben nicht als Kollateralschaden in Kauf nehmen."

Auch wenn Guterres die EU nicht namentlich erwähnt, zielt die Kritik auch auf europäische Staaten. Denn während das italienische Programm zur Rettung von Mittelmeerflüchtlingen "Mare Nostrum" binnen eines Jahres mehr als 100.000 Menschen vor dem Ertrinken bewahrte, setzt das europäische Nachfolgprogramm "Triton" den Fokus vermehrt auf eine Sicherung der EU-Außengrenze. Die Schiffe der EU-Mission sollen lediglich in einem Radius von 30 Seemeilen vor der italienischen Küste patrouillieren, federführend ist die EU-"Grenzschutzagentur" Frontex.

Resettlement-Programme als Alternative

"Menschen, die fliehen, um ihr Leben zu retten, kann man nicht durch Abschreckung davon abhalten, ohne die Gefahr noch zu verstärken", so Guterres. Vielmehr müsse man die Fluchtursachen betrachten und "analysieren, was die Menschen davon abhält, auf sichere Weise um Asyl anzusuchen".

Grund dafür ist auch die europäische Asylpolitik. Für Flüchtlinge, die nicht genügend Geld und Sicherheiten vorweisen können, um mittels Visum legal in die EU einreisen zu können, ist ein illegaler Grenzübertritt nahezu der einzige Weg. Die Möglichkeit an österreichischen Botschaften um Asyl ansuchen zu können, gibt es schon seit langem nicht mehr. Dasselbe gilt für die übrigen EU-Staaten.

Eine Alternative wären sogenannte Resettlement-, also Umsiedelungsprogramme, bei denen das UNHCR Flüchtlinge gezielt in ihrer Herkunftsregion auswählt und für den Transport in meiste westliche Aufnahmestaaten sorgt. Innerhalb der EU gab es zuletzt Diskussionen, Mittelmeerflüchtlinge auf Basis eines Asylschlüssels mittels Resettlement aufzunehmen, wofür auch Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) plädiert. Konkrete Pläne zur Umsetzung stehen aber noch aus.

High Commissioner's Dialogue

Statistiken zu Bootsüberfahrten müssen laut UNHCR wegen ihres illegalen Status als Schätzungen angesehen werden. Für die weltweiten Überfahrten wird eine Zahl zwischen 337.000 und 348.000 angenommen. Die aktuellen Schätzungen wurden anlässlich des am Mittwoch und am Donnerstag stattfindenden UNHCR-"High Commissioner's Dialogue" veröffentlicht. (APA/red, derStandard.at, 10.12.2014)