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Die Banken im Frankfurter Finanzviertel müssen vorerst nichts befürchten: Die FTT bleibt im Projektstadium.

Foto: EPA/BORIS ROESSLER

Wien - Es ist noch früher Morgen, als der großgewachsene Kommissionsbeamte die Tür zu seinem Eckbüro in einem der vielen grauen Brüsseler Bürogebäude öffnet. Kurzer Händedruck, etwas Smalltalk, dann möchte der Mann loslegen: Fast eine Stunde wird der Bürokrat, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, skizzieren, wie die von der EU-Kommission vorgeschlagene Finanztransaktionssteuer (FTT) derzeit politisch durchlöchert wird.

Die Franzosen legen sich quer, die Italiener haben Einwände, und die Deutschen schauen tatenlos zu, fasst der EU-Steuerexperte zusammen und schließt: "Die Lobbyisten der Banken haben begriffen: Die FTT bekämpft man am effektivsten nicht in Brüssel - sondern in den EU-Hauptstädten."

Frust

Der Frust in der Kommission sitzt tief. Vor über eineinhalb Jahren hat sie elf willigen Euroländern einen Vorschlag zur Einführung der FTT unterbreitet. Neben Deutschland und Österreich wollten auch Spanier und Slowenen mitmachen. Die einst von Attac geforderte Steuer schien plötzlich Konsens zu sein. Doch die Gruppe kommt seither nicht voran: Erst im Sommer hatten die elf Finanzminister erklärt, Anfang Dezember eine Einigung erzielen zu wollen. Ab 2016 sollte die Abgabe eingehoben werden. Am Montag und Dienstag sind die Verhandlungen dazu in Brüssel wieder ergebnislos zu Ende gegangen.

Die Gespräche sollen zwar 2015 weitergehen, doch laut Insidern liegen die Positionen weit auseinander - eine Einigung scheint fraglich. Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling sagt bereits, dass die Einführung 2016 schwierig werde. Dabei planen SPÖ und ÖVP fix mit der FTT. Im Bundesfinanzrahmen sind ab 2016 Einnahmen von 500 Millionen Euro pro Jahr aus der Steuer vorgesehen. Aber woran hapert es?

Laut Eingeweihten ist Frankreich das größte Hindernis. Ziel der FTT ist es, so gut wie jedes Finanzmarktgeschäft von Banken, Versicherungen und Hedgefonds mit einer Abgabe zu belegen. Bei dem Verkauf oder Kauf einer Aktie sollte die Steuer (0,1 Prozent) ebenso anfallen wie bei einem Derivatgeschäft (0,01 Prozent). Derivate, also Finanzprodukte, deren Preis von anderen Finanzprodukten abhängt, machen einen großen Teil der Finanztransaktionen aus. Zu ihnen zählen etwa Optionen und Swaps.

Frankreich schützt seine Banken

Doch die sozialistische Regierung in Paris will Derivate großteils ausnehmen und primär Aktien erfassen. Frankreich hebt seit 2012 eine Börsensteuer ein, die beim Kauf französischer Aktien anfällt. Das Einfachste aus Pariser Sicht wäre, dieses Modell EU-weit einzuführen. Ein gewichtigeres Argument ist, dass für Frankreichs Banken viel auf dem Spiel steht: Institute wie BNP Paribas sind im Derivategeschäft stark engagiert. Auch Italien verlangt hier Sonderregeln: In Italien gibt es bereits eine Steuer auf Derivate, die aber nur als eine Art Minigebühr ausgestattet ist.

Doch gestritten wird auch darüber, wie besteuert wird. Um Umgehungen zu verhindern, wollte die EU-Kommission, dass alle Geschäfte mit Wertpapieren von Firmen aus den elf Ländern weltweit erfasst werden (Ausgabeprinzip). Die Steuer sollte zudem immer anfallen, wenn an einem Finanzdeal eine Partei aus einem der elf Staaten beteiligt ist (Ansässigkeitsprinzip). Frankreich will für Aktien das Ausgabeprinzip, für die wenigen Derivate das Ansässigkeitsprinzip.

Das würde dazu führen, dass weniger Geschäfte von der FTT erfasst würden. Hinzu kommt, dass Pensionsfonds Ausnahmen wollen. Für kleinere Staaten wie Österreich ist die Steuer mit zu vielen Ausnahmen aber weniger attraktiv, weil für sie dann zu wenig herausspringt. Deutschland hat sich in der Debatte bisher noch nicht klar positioniert. Der Steuerexperte aus der Kommission dazu: "Allen sollte klar sein: Jedes weitere Jahr, um das die Steuer verschoben wird, entgehen uns Milliarden." (András Szigetvari, DER STANDARD, 10.12.2014)