Wien - Im ostasiatischen Raum werden Milchsäurebakterien eingesetzt, um jede Art von Gemüse von der Gurke bis zur Bohne zu fermentieren. In Österreich findet man Milchsäurebakterien nicht nur im Joghurt, sondern auch in fermentiertem Kohl, Sauerkraut genannt. Aber nicht nur in der menschlichen, sondern auch in der tierischen Nahrung spielen die Mikroorganismen, die Essbares geschmacklich hochwertiger und vor allem haltbarer machen, eine Rolle.

Denn was dem Menschen der Krauttopf ist, ist für die Tiere im Stall der Silo. Gras, Getreide, Mais und andere Rohstoffe werden in einer sogenannten Silage mithilfe von Milchsäurebakterien für den Winter konserviert. Im Christian-Doppler-Labor für gentechnisch veränderte Milchsäurebakterien arbeitet die Molekularbiologin Reingard Grabherr vom Department für Biotechnologie der Wiener Boku gemeinsam mit ihrem Team und unterstützt von Wirtschaftsministerium und Partnerunternehmen daran, die Bakterien in ihrem Silo-Umfeld effektiver zu machen.

Eine wichtige Fähigkeit, die die Wissenschafter den Mikroorganismen beibringen wollen, ist der Abbau von Cellulose, aus dem die Pflanzen zu einem großen Teil bestehen. In die DNA der Milchsäurebakterien sollen Gene eingebracht werden, die Cellulasen ausbilden - Proteine, die die Eigenschaft haben, die stabilen chemischen Verbindungen zu zersetzen.

Einsatz in der Medizin

Dieser Vorgang würde sowohl mehr Zucker als auch mehr Säure in der Silage freisetzen, was die Haltbarkeit und die Verdaubarkeit erhöht. Das Wachstum schädlicher Mikroorganismen wird gebremst. Auch Ausgangsstoffe wie Laub, die weniger Zucker und mehr Cellulose als Gras beinhalten, können auf diese Art haltbar gemacht werden. Zu Projektende wollen die Boku-Forscher verschiedene Stämme präsentieren, die derartige Fähigkeiten aufweisen. Künftig wäre es vielleicht auch möglich, genetisch veränderte Milchsäurebakterien für medizinische Anwendungen einzusetzen. Besonders bei der Behandlung von Allergien sind sie eine interessante Option.

In Kooperation mit der Universität Bielefeld haben Grabherr und ihre Kollegen an einem systembiologischen Ansatz für die Untersuchung der Prozesse im Silo gearbeitet. Alle Mikroorganismen einer Grassilage wurden vor und nach dem Abschließen untersucht. Ihr Vorkommen wurde statistisch ausgewertet, und ihr Genom wurde analysiert. Es konnte beobachtet werden, dass sich die ausgewählten Milchsäurebakterien schnell vermehren und Säure produzieren. In einem weiteren Schritt soll eine Silage untersucht werden, die ein gentechnisch verändertes Bakterium beinhaltet.

Grabherr und ihr Team verstehen sich als Grundlagenforscher. Von einem Praxiseinsatz der gentechnisch veränderten Mikroorganismen in Ländern mit entsprechender Rechtslage ist man noch weit entfernt. (pum, DER STANDARD, 10.12.2014)