Wien - Als pragmatischer Wissenschaftsmanager mit guter Verankerung im akademischen Betrieb und guten Beziehungen zur Politik sorgte Herbert Hunger (1914-2000) nicht nur für die zarten Anfänge, sondern auch für die institutionelle Verankerung der Byzantinistikforschung in Wien. Den 100. Geburtstag ihres lokalen Gründers feiert die Byzantinistik mit einem zweitägigen Symposium am 9. und 10. Dezember.
Die Anfänge
Am 9. Dezember 1914 in Wien geboren, studierte Hunger eigentlich Germanistik und Klassische Philologie. Er hätte auch dort Karriere gemacht, zeigten sich die Organisatoren des Symposiums "Herbert Hunger - Akademiepräsident und Begründer der Wiener Byzantinistik", Andreas Külzer und Andreas Rhoby von der Abteilung Byzanzforschung am Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), überzeugt.
Allerdings kam der Zweite Weltkrieg dazwischen, nach seiner Gefangenschaft musste Hunger erst einmal einen Brotjob annehmen - und fand sich in der Österreichischen Nationalbibliothek wieder, wo er mit der Aufarbeitung der griechischen Handschriftensammlung betraut wurde. Diese enthielt auch allerhand byzantinische Texte, für die Hunger seine Leidenschaft entdeckte. "Er hat gesehen, da gibt es noch viel zu tun", berichtete Rhoby.
Sein Wissen gab er in Lehrveranstaltungen weiter, und als 1962 der erste Wiener Lehrstuhl für Byzantinistik geschaffen wurde, erhielt ihn Hunger. Die im internationalen Vergleich recht späte Entdeckung des Faches in Wien führen Rhoby und Külzer einerseits auf den Aufschwung des Bereichs nach dem Zweiten Weltkrieg, andererseits auf den schlechten Ruf der Byzantinistik zurück.
Hungers Forschungskarriere
"Die byzantinischen Handschriften galten als Texte minderer Qualität, mit Byzantinismus verband man den Untergang der griechischen Sprache, Starrheit, Dekadenz und überbordende Verwaltung", meinte Rhoby. Vorurteile, gegen die Hunger und seine Generation ankämpfen mussten - und die auch bis heute noch nicht ganz überwunden seien. Dennoch zeigte auch die ÖAW bald Interesse an Hungers Arbeit, er wurde 1962 zum Mitglied gewählt und machte in den Reihen der Akademie rasch Karriere: Vom Sekretär wurde er zum Generalsekretär, dann Vizepräsidenten und stieg schließlich 1973 zum Präsident der ÖAW auf, eine Funktion, die er bis 1982 innehatte.
Als Begründer der "Wiener Schule des Byzantinismus" konzentrierte sich Hunger vor allem auf die Grundlagenforschung, den Begriff Hilfswissenschaften lehnte er ab. Er konzentrierte sich auf Sammlungen und Editionen und initiierte mit den Tabula Imperii Byzantini etwa die geografisch-historische Aufarbeitung des Byzantinischen Reiches - ein Projekt, das bis heute nicht abgeschlossen ist. "Er wollte mit einer fundierten Quellenaufbereitung die Basis legen, die Interpretation und Kontextualisierung kamen erst in einem nächsten Schritt", so Rhoby.
"In der Welt der Byzantinistik ist Wien ein großer Ort"
Das unterscheide die Wiener auch von anderen Instituten im deutschsprachigen Raum, die sich etwa mehr auf kunstgeschichtliche oder religionsgeschichtliche Aspekte konzentrieren, erklärte Külzer: "Sein Wert ist auch für heutige Forschungen unschätzbar. In der Welt der Byzantinistik ist Wien ein großer Ort."
Hunger habe jedoch auch immer Wert daraufgelegt, dass seine Forschungen verstanden würden - etwa in seinem Standardwerk "Reich der neuen Mitte" (1965). Seine Verbindungen in der ÖAW sowie seine guten, von Pragmatik geprägten Kontakte zur Politik, vor allem zu Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg, nutzte er, um die Byzantinistik nicht nur zu etablieren, sondern auch zu finanzieren. Den Höhepunkt seiner Karriere erreichte er 1981 - als er den großen internationalen Byzantinistenkongress mit über 1.000 Teilnehmern in der Hofburg organisierte.
Das Vermächtnis
Herbert Hunger, der u.a. das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik erhielt, starb am 9. Juli 2000 in Wien - das Symposium zu seinen Ehren will aber nicht nur einen Blick in die Vergangenheit werfen, sondern auch auf Gegenwart und Zukunft schauen. "Heute stehen das Alltagsleben, die Kontextualisierung und der Vergleich von Kulturen eher im Vordergrund", betonten die beiden Organisatoren. Die Zukunft der Byzantinistik sehen sie vor allem auch im Zusammenspiel mit anderen Disziplinen.
Das äußere sich sowohl in internationalen Projekten als auch der Zusammenlegung einzelner ÖAW-Abteilungen zu einem großen Mittelalterinstitut. Die institutionelle Verankerung sei jedenfalls trotz Nachwuchsmangel immer noch fest: "Da zehren wir sicherlich noch von der breiten Aufstellung durch Herbert Hunger". (APA, derStandard.at, 9. 12. 2014)