Hexachlorbenzol (HCB) zählt zu den zwölf giftigsten Industriechemikalien und wurde 2001 weltweit verboten.

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Im November wurde bekannt, dass im Kärntner Görtschitztal der zulässige Hexachlorbenzol-(HCB)-Grenzwert in Milch und Futtermitteln überschritten wurde. Eine Großuntersuchung von 261 Bauernhöfen am langen Wochenende wird derzeit noch ausgewertet. Schon jetzt sind viele Menschen vor Ort in Sorge – Anlass genug, einen genaueren Blick auf den Problemstoff und die Situation in Kärnten zu werfen.

Weltweit verboten

Hexachlorbenzol (HCB) ist ein farbloses Pulver, das etwa über Pestizide oder bei unsauberen Verbrennungsvorgängen, wie es in Kärnten der Fall sein dürfte, in die Umwelt gelangt. Es zählt zum "Dreckigen Dutzend" ("dirty dozen") der zwölf giftigsten Industriechemikalien überhaupt, die 2001 im Stockholmer Übereinkommen weltweit verboten wurden. In Österreich wurde HCB bereits in den 1990er-Jahren verboten.

Der Stoff wird bei kontinuierlicher Aufnahme im Fettgewebe angereichert und gilt als hochgradig krebserregend, vor allem in Niere, Leber und Schilddrüse. Er steht darüber hinaus im Verdacht, mehrere Stoffwechselerkrankungen auszulösen und kann über die Muttermilch auch an Säuglinge weitergegeben werden.

"Es ist überhaupt keine Frage, dass es ein Problemstoff ist", sagt Hans-Peter Hutter, Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie sowie Umweltmediziner an der Med-Uni Wien. Er spricht von einer extrem langlebigen Substanz, die über Jahre angereichert wird und auch unabhängig von akuten stärkeren Expositionen in geringen Mengen im Körper nachweisbar ist.

Jahrelang unbemerkt

Wie gefährlich die Lage in Kärnten ist, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht seriös sagen. Greenpeace zufolge sind mindestens 25 Tonnen Blaukalk ins Zementwerk Wietersdorf gelangt, um dort verbrannt zu werden. Weil mit lediglich 400 Grad anstatt 1000 Grad, die für eine saubere Verbrennung nötig wären, gearbeitet wurde, ist über die Abgase HCB in die Luft gelangt – wie viel genau, ist unklar. "Dabei sind große Mengen der Gifte verdampft und über den Schornstein entwichen, anstatt zu verbrennen. Besonders tragisch ist, dass dies über zweieinhalb Jahre hinweg nicht bemerkt worden ist", so Greenpeace.

Mittlerweile ist die Sache längst zum Politikum geworden – "leider", wie Hutter meint. Denn zusätzlich zum eigentlichen Problem sei jetzt noch ein zweites gekommen: "Die Leute sind verunsichert und machen sich große Sorgen, obwohl es dafür möglicherweise gar keine Basis gibt", so Hutter.

Statt zu fragen, wer an dem Skandal schuld ist, sollten zuerst einmal die Untersuchung und die Bevölkerung im Vordergrund stehen. "Vermutungen über die tatsächliche Belastung sind nichts anderes als Kaffeesudleserei, solange es nicht umfassende Ergebnisse von Blut- und Bodenproben gibt." Hutter hat den Eindruck, dass die Kärntner Landesregierung gewillt ist, das Ganze lückenlos aufzuklären. Durch politische Ambitionen von anderen werde das aber "teilweise unterminiert" und die Bevölkerung unnötig verunsichert.

Den Menschen vor Ort empfiehlt er, in dieser Übergangssituation vorsorglich auf Milchprodukte und Fleisch aus der Region zu verzichten – so lange, bis es Entwarnung oder zumindest genauere Information gibt. Auch ein Bluttest mache natürlich Sinn. Bei Obst und Gemüse sei die Gefahr einer Anreicherung mit HCB grundsätzlich nicht gegeben, weil die meisten Sorten zu einem hohen Maß aus Wasser bestehen, in dem der Stoff praktisch unlöslich ist. Auch das Leitungswasser könne man problemlos trinken.

Bald genauere Informationen

Wie geht es jetzt weiter? Am 11. Dezember starten die Bluttests von hunderten Personen – basierend auf diesen Tests sowie der Bodenproben sollte bis Anfang nächster Woche eine erste Einschätzung der Situation möglich sein, sagt Hutter. Darüber hinaus müsse es aber noch über eine geraume Zeit hinweg ein Monitoring von Bodenzustand, Futtermitteln und Lebensmittel geben, um zu sehen, ob es etwaige HCB-Hotspots gibt und um den weiteren Verlauf zu verfolgen.

Zunächst aber sollte man möglichst Ruhe bewahren und den Untersuchungen die Zeit geben, die sie einfach brauchen: "Es wird momentan wirklich sehr viel gemacht. Man darf nicht vergessen, die Untersuchungen sind ein immenser Aufwand: Die Proben steckt man nicht einfach in einen Automaten, sondern das ist eine höchst komplizierte Aufgabe." (Florian Bayer, derStandard.at, 9.12.2014)