Ursula Voss am 2. November bei der Buchpräsentation "Gert Voss auf der Bühne" im Berliner Ensemble.

Foto: markus lieberenz

Immer war es so, beneidenswert verlässlich, von herzzereißender Vertrautheit, großzügiger Liebe - und unbestechlicher, kritischer Theaterleidenschaft getragen: Wenn der Schauspieler Gert Voss auf der Bühne stand, saß seine Frau Ursula Voss im Publikum, meist in der ersten oder zweiten Reihe. Sie war, wie es die "Zeit" einmal formulierte, seine "geistige Co-Pilotin", kannte und konnte jedes Wort, beobachtete jede Bewegung, entdeckte jedes Mal eine neue Facette an der Spielkunst ihres Mannes, der keinen Abend zur Routine verkommen ließ: eine kleine Abänderung, eine spielerische Freiheit, seinen tänzelnden Geist. "Ich durfte 50 Jahre, seit 1965, Gert mit meiner Liebe begleiten und werde ihn weiter begleiten dürfen", sagte sie nach dem Tod ihres Mannes. "Nichts hat er sich mehr gewünscht, als dass sein brennendes Herz für das Theater, sein Mut, die Neugier, die Liebe und die Leidenschaft für den Menschen weiter leben."

Ursula Voss war nicht nur liebende Ehefrau im Hintergrund, die mit ihrem Mann sogar die Visitenkarte teilte, sondern vor allem auch kluge Dramaturgin, sensible Künstlerin, kompetente Kollegin. "Was Gert Voss war, war er auch durch Ursula. Sie nahm Anteil, schaute genau und konnte das, was sie sah, in Worte fassen. Sie sagte nicht nur, dass etwas gut war - sondern vor allem, warum es so war. Gert war sehr anspruchsvoll bei Dramaturgen. Uschis Urteil vertraute er", erinnert sich Regisseur und Dramaturg Hermann Beil, Freund und Weggefährte des Ehepaares Voss.

Auf Einladung der Akademie der Künste Berlin, der Gert Voss 2009 sein Archiv geschenkt hatte, und des Berliner Ensembles präsentierte Ursula Voss Anfang November das von ihr herausgegebene Buch "Gert Voss auf der Bühne"; stand im Rampenlicht, in das es sie nie gedrängt hatte; lächelte ihr sanftes, zurückhaltendes Lächeln, während sie signierte. Als nun das Buch Ende November auch am Wiener Akademietheater vorgestellt wurde, fehlte sie. Nur wenige Monate nach dem überraschenden Tod ihres Mannes war sie selber erkrankt. In der Nacht auf Sonntag erlag sie, nur 67-jährig, ihrer kurzen, aber schweren Erkrankung.

Profundes Wissen

Geboren 1947 in Weingarten am Bodensee als Tochter eines Piloten und einer Krankenschwester, lernte sie den jungen Schauspieler Gert Voss kennen, da war sie gerade einmal 16 Jahre alt. Sie folgte ihm von Provinz zu Stadt zu Engagement. Als Tochter Grischka in die Schule kam, studierte Ursula Voss in Stuttgart Germanistik, Philosophie und Theaterwissenschaft. Ihre Doktorarbeit schrieb sie über "Szenische Collagen. Theaterexperimente der europäischen Avantgarde zwischen 1913 und 1936."

Zunächst arbeitete sie als freie Lektorin; als Gert Voss gemeinsam mit Claus Peymann und Beil von Bochum nach Wien wechselte, landete auch sie am Theater. "Ich muss es ganz uneitel sagen: Es war meine Idee, sie an die Burg zu holen, weil ich beobachten konnte, wie sehr sie an literarischen Texten interessiert war und auch was dazu zu sagen hatte", so Beil. 1987 arbeitete Ursula Voss erstmals als Dramaturgin am Burgtheater; noch im gleichen Jahr wurde sie von George Tabori für sein Theater "Der Kreis" engagiert, mit ihm arbeitete sie zehn Jahre lang eng zusammen, folgte ihm ans Burgtheater, etwa für "Othello" mit Gert Voss in der Hauptrolle. Auch Michael Haneke, Claus Peymann, Luc Bondy Thomas Langhoff oder auch André Heller schätzten und respektierten ihr profundes Wissen und ihr uneitles, liebenswürdiges Wesen.

Gemeinsam mit Ignaz Kirchner und ihrem Mann inszenierte Ursula Voss 2001 am Akademietheater Jean Genets "Die Zofen"". Zwei Jahre davor hatte das Trio für das Theater in der Josefstadt, Becketts "Das letzte Band" erarbeitet; die Produktion wechselte allerdings nach nur wenigen Aufführungen an die Burg. "Sie konnte", sagt Hermann Beil voll Respekt, "weit mehr als schöne Programmbücher schreiben. Sie konnte zuhören, genau hinsehen. Sie war eine großartige Dramaturgin – für, aber auch ohne Gert. Sie konnte so wunderbare Textfassungen erstellen. Sie hätte noch so viel machen können, ich habe mir ihr zuletzt ganz konkret über ein Projekt gesprochen. Ich bin sehr traurig." (Andrea Schurian, derStandard.at, 7.12.2014)