Die SPÖ vollzieht im Moment eine Fahrt ins Blaue.

Foto: Standard/Matthias Cremer

Politische Fehleinschätzungen werden nicht dadurch richtiger, dass die Zeit vergeht. Dieser ermüchternde Umstand wird in der SPÖ offenbar von vielen negiert.

Anders nämlich sind jene prominenten parteiinternen Stimmen nicht zu erklären, die vorige Woche eine - Zitat - vorsichtige Öffnung zur FPÖ guthießen. Und die damit auf nur auffallend leisen Widerspruch stießen.

Fahrt ins Blaue

Konkret sprachen sich in den vergangenen Tagen mit dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl und Ex-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina gleich zwei Träger bekannter Namen in der SPÖ für eine solche Fahrt ins Blaue aus. Die wenigen Kritiker waren mit einigen Zuwortmeldern in Leserbrief-Kolumnen weniger namhaft: kein gewichtiger Repräsentant, der dagegenhielt, zumindest nicht von außerhalb vernehmbar. In früheren Jahren hätte es wohl rasch Dementis solcher rot-blauer Begehrlichkeiten gegeben.

Nun kann man darüber spekulieren, ob dies ein Symptom der parteiinternen Schwächung von Werner Faymann ist, der beim Parteitag Ende November ja mit nur 84 Prozent als Parteivorsitzender wiedergewählt wurde.

Knackpunkt Steuerreform

Und es trifft wohl voll und ganz zu, dass sich in diesem Ergebnis eine Unzufriedenheit wegen der fortgesetzten Festschreibung der Rolle der SPÖ als roter Part im schwarz-roten Machterhaltungszusammenschluss ausdrückt - und den damit verbundenen Schwierigkeiten, eine für Österreich essenzielle Steuerreform auf die Reihe zu bekommen. Dass der als Parteirebell geltende Sektion-8-Chef Niki Kowall Österreich und damit der Parteiarbeit gerade jetzt den Rücken kehrt, ist auch dafür ein Symptom.

Doch sollte die SPÖ in dieser Krise tatsächlich jener parteiinternen Gruppierung Platz einräumen, die sich die Freiheitlichen als Bündnispartner vorstellen kann oder gar wünscht: Angesichts der inneren Gespaltenheit der SPÖ, was Fragen der Asyl- oder Migrationspolitik angeht, wäre das mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Debakel! Das Risiko einer rot-blauen Österreich-Nationalallianz wäre nicht unbeträchtlich.

Bei "Ausländerthemen" gespalten

Denn in der SPÖ stehen vorwärtsgewandte, vernünftige Positionen, wie sie etwa die Wiener Partei vertritt und praktisch lebt, neben ressentimentgeladenen, ausländer- und flüchtlingsfeindlichen Meinungen. Was Letzteres betrifft, erinnere man sich etwa an den Julbacher Vizebürgermeister Johann Plattner (SP), der ein Flugblatt-Pamphlet gegen Asylwerber unters Volk warf: mit Ansichten, die eigentlich die FPÖ vertritt.

Er wäre damit nicht der Einzige: Die Ausländerfeindlichkeit in Teilen der - vor allem älteren - sozialdemokratischen Basis ist eine Hypothek, die diese ehemals alleinmächtige Partei seit Jahrzehnten mit sich herumträgt. Das drückt sich nicht zuletzt auch in Positionen wie jener des Traiskirchner Bürgermeisters Andreas Babler aus, der seine roten Mannen und Frauen mit verbalen Muskelspielen gegen das dortige Flüchtlingslager bei Stimmung hält (bei aller Berechtigung von Kritik an der derzeitigen unbefriedigenden Situation).

Zerreißprobe

Somit würde eine "Öffnung" zur FPÖ, die in Sachen Fremdenfeindlichkeit bekanntlich der Schmied und nicht der Schmiedl ist, die SPÖ wohl vor eine Zerreißprobe stellen. Wenn Kowall für seine Partei, wenn sie so weitermacht wie bisher, mittelfristig die Gefahr des Unbedeutendwerdens sieht ( was er vor allem auf die ungenügende interne Kommunikationskultur bezieht): Eine rotblaue "Öffnung" wäre auch ein Schritt in diese Richtung. (Irene Brickner, derStandard.at, 8.12.2014)