Die Planer aus Kopenhagen: "Wir haben uns das Gebäude zunutze gemacht und die Dachlandschaft in eine 1,5 Kilometer lange Skipiste verwandelt."

Visualisierung: BIG

Mit knapp 171 Metern ist der Møllehøj der höchste Berg Dänemarks, und die Liste der topografischen Erhebungen des kleinen Landes ist wahrlich keine lange. Doch geht es nach Bjarke Ingels vom dänischen Architekturbüro BIG und dem Heizkraftwerkbetreiber Amagerforbrænding, soll man, von Ski- und Snowboard-Lust getrieben, künftig nicht mehr ins Ausland reisen müssen, sondern kann die Skier auf die Schulter hieven und in die lila Metrolinie M6 einsteigen. Nicht weit von der Station Magretheholmen wird es eine Möglichkeit geben, bebretterterweise knapp hundert Höhenmeter in einem Stück hinabzusausen.

"Das Amager-Kraftwerk liegt am Stadtrand in einer prominenten Lage", sagt Jakob Andreassen, Software-Techniker und Schnittstellen-Planungskoordinator bei BIG. "Wir haben uns das Gebäude zunutze gemacht, die Form des Heizkraftwerks ein wenig nachmodelliert und die Dachlandschaft in eine 1,5 Kilometer lange Skipiste mit blauen, roten und schwarzen Pistenabschnitten verwandelt."

Privat finanzierter Schneeberg

Während das rund 800 Millionen Euro teure Kraftwerk, das sich bereits in Bau befindet, Ende 2016 in Betrieb gehen soll, wird das Skizentrum, das in der warmen Jahreszeit mit künstlichem Pulverschnee berieselt werden soll, voraussichtlich mit einem Jahr Verspätung in Betrieb gehen. Noch arbeitet man am Fundraising für den privat finanzierten Schneeberg. Und an den technischen Details.

"Dass wir dieses unglaublich komplexe Projekt in dieser Form überhaupt umsetzen können, dass wir parallel an der Kraftwerktechnologie und an der Infrastruktur für die Piste arbeiten können, verdanken wir den neuen Planungsmethoden, die wir in der Baubranche heute anwenden", meint Andreassen.

Lange Wartezeiten

Building Information Modeling, kurz BIM, nennt sich diese Software-Technologie im Fachjargon, und sie ist nichts anderes als eine detailgetreue, virtuelle Kopie des später einmal realen Bauwerks. Architekten, Tragwerksplaner, Haustechniker und Fachplaner arbeiten gleichzeitig am digitalen 3-D-Modell, präzisieren es Stück für Stück bis zur Perfektion weiter und können auf diese Weise lange Wartezeiten und Freigabe-Schlaufen im Planungsprozess umgehen. Vorgestrige Pläne wie etwa Grundrisse, Schnitte und Detailpläne sind damit obsolet.

"BIM ist eine völlig neue Definition des Planungsprozesses", sagt Andreassen, "und wird die Architektur- und Baubranche meines Erachtens revolutionieren." Erstens könne man dank BIM Planungs- und Koordinationsfehler umgehen, weil alle am gleichen 3-D-Modell arbeiten, zweitens werde dadurch der gesamte Ausschreibungs- und Detaillierungsprozess vereinheitlicht, weil auch die ausführenden Firmen auf Basis des 3-D-Modells ihre Anbote erstellen werden können, und drittens spare man sich dank BIM viel Zeit in der Planung.

"Um ehrlich zu sein, hinken wir in der Baubranche weit hinterher", meint Christoph Achammer, Geschäftsführer des mit 550 Mitarbeitern größten Architektur- und Ingenieurbüros Österreichs. BIM ist in seinem Haus eine Selbstverständlichkeit, vor allem bei den großen, komplexen Bauvorhaben. "In der Automobilindustrie arbeitet man längst schon virtuell, bevor man das erste Mal einen realen Prototyp baut, die Planung ist millimetergenau, und die Modellentwicklung eines neuen Fahrzeugs hat sich von einst 60 Monaten, wie dies noch in den Achtzigerjahren der Fall war, auf nicht einmal 16 Monate verkürzt. Und was machen wir in der Architektur? Wir zeichnen auf Papier und schicken permanent veraltete und überholte Planstände durch die Welt. Mit BIM werden wir Prozesse effizienter gestalten und die Planungsqualität deutlich steigern können."

Die größte Umstellung

Und das schon bald. Im April nächsten Jahres soll in Europa eine eigene BIM-Norm herausgegeben werden, die das Building Information Modeling vereinheitlichen soll. Dem blicken nicht alle mit Vorfreude entgegen. "Die BIM-Norm wird für große Planungsbüros und große ausführende Firmen eine Erleichterung darstellen", meint Iva Kovacic, Assistenzprofessorin am Institut für Industriebau und interdisziplinäre Bauplanung der TU Wien. Erst kürzlich hielt sie, gemeinsam mit Andreassen und Achammer, einen Vortrag beim 1. Österreichischen BIM-Kongress in der Hofburg, veranstaltet vom europäischen BIM-Software-Marktführer Graphisoft. "Doch für kleinere Firmen wird dadurch nicht alles einfacher, eher nur schwieriger."

Österreich, so Kovacic, sei ein Land mit ausgeprägter KMU-Struktur. Laut Statistik Austria gebe es derzeit nur zwei Architekturbüros mit einem Jahresumsatz von mehr als 1,5 Millionen Euro. Der Großteil der österreichischen Architekturbüros jedoch habe weniger als vier Mitarbeiter und verfüge nur über geringe Mittel. Bei den Elektrikern, Installateuren und Spenglern ist die Situation nicht anders. "Für all diese Unternehmen wird BIM eine Herausforderung sein. Sie werden sich umstrukturieren müssen."

Selektion durch verpflichtende Planung mit BIM

Die größte Umstellung, die BIM verursachen wird, sieht Kovacic in den Projekten der öffentlichen Hand. "Bewerbungsverfahren und Verhandlungsverfahren sind so konzipiert, dass sie auch heute schon viele kleinere Marktbetreiber von Haus aus ausschließen. Und ich fürchte, dass diese Selektion durch die vielleicht eines Tages verpflichtende Planung mit BIM noch größer werden wird."

Technologischer Fortschritt ist eine gute Sache. Er treibt die Entwicklung voran, macht Prozesse effizienter und spart langfristig Ressourcen. Auch Zeit. Doch in diesem konkreten Fall wird man ihn sehr präzise planen müssen. Andernfalls wird die Einführung von BIM auf Kosten der österreichischen Architektur- und Baulandschaft gehen. Wie hat der dänische Architekt und Skifahrer in spe Jakob Andreassen seinen Vortrag beim 1. Österreichischen BIM Kongress abgeschlossen? "Bim! Bam! Bum!" So weit darf es nicht kommen. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 6.12.2014)