Wien - Niko würfelt um sein Leben. Im wahrsten Sinn des Wortes. Seit er damals aufs Klo musste und nun diesen Würfel bei sich trägt, delegiert er seine Entscheidungen an den Zufall bzw. die Normalverteilung: gerade - ja, ungerade - nein. Würfelt Niko, so würfelt er der Wahrscheinlichkeit zuwider stets "Ja". So hat er Mascha kennengelernt. Und lieben. Der Würfel ist gefallen und Niko folgt, denn er will sein Leben nicht mehr selbst entscheiden müssen. Derweil glaubt Mascha an den antiken Mythos vom Kugelmenschen und an Bestimmung.

In 16 Schlaglichtern berichtet der 1989 geborene Autor Leon Engler unter sparsamem wie auch klugem Einsatz der dramatischen Mittel die Geschichte eines 50 Jahre andauernden gemeinsamen Lebens, das sich in zunehmend aufbrechenden Zweifeln entzweit.

Der aus der Physik stammende Titel Wasserstoffbrennen stehe metaphorisch "für das Verschmelzen zweier Menschen und für die Wärme, die dabei entsteht", meint Engler. Was wie eine Variation von Goethes Wahlverwandtschaften anmutet, ist aber rätselhafter. Denn der Grund des Verschmelzens bleibt offen: Wahrscheinlichkeitsverteilung und Naturgesetze verweisen auf eine Ordnung hinter dem scheinbar Kontingenten, doch zugleich stellen Nikos stetige Ja-Würfe diese infrage, indem sie die Statistiken aushebeln. Bestimmung oder Zufall? Oder doch ein gezinkter Würfel?

Im kleinen Aufführungsraum mit Bar und Bühne inszeniert Michael Schlecht beinah ohne Requisiten. Die brauchen die überzeugenden Magdalena Steinlein und Roman Blumenschein auch nicht. Dass sie neben den Figuren stets auch als Erzähler des Geschehens erhalten bleiben, birgt eine auflockernde analytische Distanz.

"Ich konnte jemanden lieben. Ich hatte etwas zu tun." - Am Ende steht die Frage, ob es nicht ein Wagnis ist, so auf einen anderen zu setzen. Eine Gefahr für einen selbst. Und dennoch ein Glück. (Michael Wurmitzer, DER STANDARD, 4.12.2014)