Der Tod der Tugçe A. macht wütend. Vor zwei Wochen geht die Lehramtsstudentin dazwischen, als zwei Mädchen in einem Fastfood-Restaurant im deutschen Offenbach von mehreren Männern belästigt werden. Als Tugçe A. das Lokal verlässt, schlägt ihr einer der Belästiger ins Gesicht, sie geht zu Boden und erleidet schwere Hirnverletzungen. Der Mann hatte es nicht ertragen, dass sich ihm eine mutige Frau entgegenstellt. Samstagnacht stirbt Tugçe A. an den Folgen des Schlages – es ist ihr 23. Geburtstag. Ihre Organe wird die Studentin spenden – das hat sie sich lange vor ihrem Tod gewünscht.

Eine Petition, die das Bundesverdienstkreuz für sie fordert, fand innerhalb von Tagen 100.000 Unterstützer. Die Ehrung wäre wichtig, um die Erinnerung an Tugçe A. zu bewahren. Und als Botschaft, dass Zivilcourage immer recht hat. Man denkt an Dominik Brunner: Der Anwalt wurde 2009 in München von zwei Jugendlichen totgeprügelt, nachdem er Schüler vor deren Angriffen geschützt hatte.

Beide Fälle empören, weil die Täter nicht nur ihre Opfer treffen: Sie attackieren die Idee der Zivilcourage an sich. Es braucht viel Mut, um öffentlich einzuschreiten. Den haben nur wenige. Die meisten schauen zu – oder sie schauen weg. Das zarte Pflänzchen Zivilcourage muss politisch und gesellschaftlich genährt werden. Nicht Tugçe A. und Dominik Brunner sind schuld an ihrem Tod. Nicht ihr Mut ist es. Es sind allein die Täter – und die, die zuschauen. (Lisa Mayr, DER STANDARD, 2.12.2014)