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Schatten vor rotem Hintergrund: Niessl würde bei der Mehrheitssuche auch die FPÖ einbeziehen, das wollten auch seine Mitglieder.

Foto: APA/Gruber

Wien - Tag drei nach dem allseits als blamabel empfundenen Wahlergebnis für SPÖ-Chef Werner Faymann (83,9 Prozent, nur sechs Zehntelprozent besser als 2012) bei seiner Wiederwahl auf dem Parteitag: Hans Niessl, mit 96,7 Prozent in den Bundesparteivorstand gewählt, tritt in der ORF-"Pressestunde" zur Verteidigung des Parteichefs, zur Erläuterung der Befindlichkeit der Partei und zum eigenen Wahlkampf an.

Beschlüsse aufrecht

Niessl hat kommendes Jahr Landtagswahlen zu schlagen. Und wird, vielleicht – vor Wahlen könne man das ja nicht genau sagen –, die FPÖ zum Weiterregieren brauchen. Daher deutet er an, was in der Bundes-SPÖ ein Tabu ist: "Wer sagt, dass es nach Wahlen nicht auch andere Alternativen als die ÖVP gibt? Der Wähler hat immer recht."

Die Beschlüsse auf Bundesebene, nicht mit der FPÖ zu koalieren, seien zwar aufrecht, "wir gehen im Burgenland aber einen anderen Weg". 89 Prozent der Sozialdemokraten in seinem Land seien für Offenheit gegenüber anderen Parteien. In Wien würde aber eine solche Befragung möglicherweise ein anderes Ergebnis bringen. Er glaube, dass der Politologe Anton Pelinka recht habe, dass die SPÖ sich nicht an die ÖVP fesseln lassen dürfe - gerade wenn es um die Steuerreform gehe. Man müsse fragen: "Mit wem bekomme ich eine Mehrheit?"

Mehrheitssuche stand auch am Tag zwei des 43. ordentlichen Parteitages der Bundes-SPÖ auf der Tagesordnung. Ein Genosse heißt im Gespräch mit dem Standard auch am Samstag, dem Tag nach der Abstimmung, die zahlreichen Streichungen - 95 Streichungen von 590 gültigen Stimmen - gut: "Leute müssen Angst haben, damit sie gute Politik machen." Vom "Denkzettel für Faymann" erhofft sich der rote Parteigänger mehr "Grundsatztreue" seines Vorsitzenden in den Verhandlungen über die Steuerreform mit der ÖVP.

Vor allem die jungen Delegierten aus den Ländern, den Gewerkschaften, dem Verband sozialistischer StudentInnen und der Sozialistischen Jugend (SJ) sollen Faymann ihre Gefolgschaft verweigert haben. Im Gegenzug waren es die Jungen, die am Tag darauf die Debatte über die rund 180 Anträge und Resolutionen, elf Leitanträge und sieben Initiativanträge dominiert haben.

Keine Cannabis-Legalisierung

Mit Ausnahme von Infrastrukturminister Alois Stöger, der auf die Wichtigkeit der Straßen-, Bahn- und Breitbandnetze hinwies, nahmen sich die Kapazunder der Sozialdemokratie bei der Diskussion zurück. Gleich zu Beginn kündigte Andreas Schieder, Leiter der Antragsprüfungskommission, eine kleine Sensation an. Die SJ zog ihren Antrag auf Legalisierung von Cannabis zurück, im Gegenzug dafür einigte sie sich mit der Antragsprüfungskommission auf einen Initiativantrag, der die Entkriminalisierung von Cannabis vorsieht.

Konkret heißt es darin, das Suchtmittelgesetz solle reformiert werden, um Konsumenten nicht zu kriminalisieren, sondern ihre Situation zu verbessern. Die Partei ersparte sich also die Legalisierungsdebatte, dafür stimmten die Genossen einstimmig für die Reform des Suchtmittelgesetzes. Ebenfalls nicht selbstverständlich war die Annahme eines Antrags, der sich für die Abschaffung des Straftatbestands Landfriedensbruch einsetzte, sowie einer weiteren Initiative, die Sanktionen für bei der Flüchtlingsaufnahme säumige Länder vorsieht.

Alle elf Leitanträge der Partei wurden durchgewinkt, ebenso die Reform der innerparteilichen Quotenregelung.

Andere Länder auf Kurs

Eine Öffnung zur FPÖ war somit für die Delegierten kein Thema. Nach Niessls "Pressestunde"-Äußerungen wurde sie auch nicht dazu: Franz Voves, Landeshauptmann der Steiermark, wo 2015 ebenfalls Landtagswahlen anstehen, war bisher auf eine Fortsetzung der Reformpartnerschaft mit der ÖVP fixiert. Am Sonntag bestätigte er dem STANDARD, dass diese "Zukunftspartnerschaft" weiter erste Wahl sei. Und dass er da auch keine Alternative sehe: Eine Zusammenarbeit mit Heinz-Christian Strache oder dem Landesparteichef Gerhard Kurzmann bleibe für ihn ausgeschlossen -– und das gelte auch für Mario Kunasek. Dieser war von der FPÖ im September als Spitzenkandidat für die Landtagswahl designiert worden.

Die Oberösterreicher bleiben strikt auf Anti-FPÖ-Kurs, auch bei der Steuerreform: "Uns geht es darum, mehr Gerechtigkeit ins österreichische Steuersystem zu bringen. Das wird mit der ÖVP schwierig genug. Warum Landeshauptmann Niessl glaubt, dass dies gegebenenfalls mit der FPÖ möglich wäre, wissen wir nicht. Bislang zeigt sich die FPÖ nicht als eine Partei für mehr Gerechtigkeit", sagte SP-Landesgeschäftsführer Peter Binder dem STANDARD. (burg, cs, cms, mro, DER STANDARD, 1.12.2014)