Klagenfurt/Wien - Die Anzahl der mit Sicherheit von HCB-Belastung betroffenen Bauern im Kärntner Görtschitztal ist am Samstag auf acht gestiegen. Albert Kreiner, er koordiniert die Kommunikation des Landes in dem Umweltskandal rund um das hochgiftige Hexachlorbenzol (HCB), bestätigte der APA einen Bericht des ORF. Insgesamt 35 Milchbauern und 260 Fleischbauern dürfen ihre Produkte vorerst nicht verkaufen.

Nach den vorliegenden Testergebnissen ist das Futtermittel von acht Betrieben durch HCB vergiftet. "Das Futter wird ausgetauscht. Es wird abgeholt und einer ordnungsgemäßen Entsorgung zugeführt", sagte Kreiner. Das Viehfutter muss bei Temperaturen über 800 Grad verbrannt werden, damit das HCB nicht erneut über Emissionen in die Luft kommt. Weitere Proben werden noch untersucht.

Kein HCB in Rohmilch

Weiters wurden am Samstag vorläufige Ergebnisse von 16 Rohmilch-Einzelproben - sie stammen von den 35 Milchbauern in der betroffenen Region - vorgelegt. In den Proben war HCB nicht nachweisbar. Die Milchlieferungen dieser Bauern werden aber noch nicht freigegeben, sagte Kreiner. Die Unbedenklichkeit muss erst bei weiteren Tests bestätigt werden.

Das Ausmaß der Umweltbelastung durch HCB im Görtschitztal ist nach wie vor unklar, weil noch sehr viele Testergebnisse ausständig sind. In der Landespolitik hat der Fall aber schon jetzt großen Wirbel ausgelöst. Die Koalition aus SPÖ, ÖVP und Grünen macht in der Causa nicht den Eindruck, dass es ein akkordiertes Vorgehen gibt. Es gibt gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen Agrar- und Umweltabteilung. ÖVP-Landesrat Christian Benger betonte die Opferrolle der Bauern.

Landesrat Rolf Holub (Grüne) glaubt an mehr als eine Quelle für die Belastung und führt immer wieder früher in der Landwirtschaft verwendete, HCB-hältige Beizmittel an. Holub wirft der Agrarabteilung auch vor, nicht früher mit der Information an die Öffentlichkeit gegangen zu sein. Holub selbst wusste seit 6. November von dem HCB, machte aber nichts publik, weil er noch auf weitere Messergebnisse wartete, wie er erklärte. Von Gesundheitsreferentin Beate Prettner (SPÖ) ist in Sachen HCB bisher kaum etwas zu hören. Sie war vor drei Jahren, als Wietersdorfer den Zuschlag für die Verwertung des belasteten Blaukalks bekam, Umweltreferentin.

Opposition: "Vertuschungsskandal"

Die Opposition wirft der Regierung Versagen vor. "Dies ist offenbar ein Vertuschungsskandal der Extraklasse, wie kann es sein, dass hier jahrelang mangelhaft bis gar nicht kontrolliert wurde", sagte Landesrat Christian Ragger (FPÖ). Team Stronach-Landesrat Gerhard Köfer forderte "volle Aufklärung der politischen Verantwortung".

Seit Sommer 2012 wird im Zementwerk Wietersdorf in Klein St. Paul im Görtschitztal mit behördlicher Genehmigung HCB-belasteter Blaukalk aus einer Deponie der Donau Chemie verarbeitet. In das Projekt zur "Altlastensanierung" flossen insgesamt 40 Millionen Euro, 15 Millionen davon zahlte die Donau Chemie, 25 Millionen kamen aus dem Altlastensanierungsfonds des Bundes.

Bei der Verarbeitung dürfte nicht ordnungsgemäß gearbeitet worden sein, wie der Werksleiter am Freitag eingestanden hat. Wenn der Kalk wie vorgeschrieben bei Temperaturen über 800 Grad verbrannt worden wäre, wäre es zu keinen Emissionen gekommen, sagen Experten. Emissionen dürfte es aber gegeben haben, letztgültige Testergebnisse sind dazu aber noch ausständig. Über die Luft und das Futter kam das Umweltgift wahrscheinlich in die Kühe und in die Milch. Am Mittwoch informierte Agrarlandesrat Benger die Öffentlichkeit über Grenzwertüberschreitungen bei der Rohmilch. Erste Grenzwertüberschreitungen dürfte es aber schon im April gegeben haben. Einzelne Stellen in der Landesregierung wussten schon im März von einem zumindest latenten HCB-Problem.

HCB oder Hexachlorbenzol ist eine von zwölf hochgiftigen Substanzen, die als "Dreckiges Dutzend" im Stockholmer Übereinkommen im Jahr 2001 weltweit verboten wurden. Die Giftstoffe, darunter Pestizide und Industriechemikalien, stehen im starken Verdacht, Krebs, Mutationen im Erbgut und Fehlbildungen bei Embryos hervorzurufen. (APA, 29.11.2014)