Wien - Sie sind die neuen Tagelöhner, sagt Geronimo-Noah Hirschal. Anzubieten haben Ein-Personen-Unternehmen nicht mehr als ihre Arbeitskraft, und die wird vielfach zu Dumpingpreisen gehandelt. Wie die Arbeiterklasse des 19. und 20. Jahrhunderts stehen sie in direkter Konkurrenz zueinander - ohne Lobby hinter sich, als Spielball der Sozialpartner.

Hirschal schlug sich als Einzelkämpfer und Söldner selbst durch kreative Branchen. Ab kommendem Montag sitzt er vor dem Museumsquartier in Wien vier Tage lang in einem kleinen Glaskubus: Tisch, Sessel und Laptop auf vier Quadratmetern Fläche; ein transparentes Homeoffice, multimedial mit der Welt draußen vernetzt.

Allein Wien zählt mittlerweile mehr als 60.000 Kleinstunternehmer, rechnet der 34-jährige Sohn des Schauspielers Adi Hirschal im STANDARD-Gespräch vor, "und das ist noch eine konservative Zahl". Hirschal engagierte sich zuvor für Kreative mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt, jetzt vertritt er im Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband Wien die Belange der Einzelkämpfer.

Sichtbarkeit schaffen

Sein Ziel ist es, die per se kaum definierbare Gruppe an Menschen quer durch sämtliche Berufsgruppen sichtbar zu machen. Menschen, die meist von zu Hause aus arbeiten, allein in Werkstätten, Geschäften, auf Baustellen stehen oder nur auf den ersten Blick in Angestelltenverhältnisse eingebunden scheinen. "Für die Wirtschaftskammer sind sie keine echten Unternehmer, für die Arbeiterkammer scheinselbstständig", resümiert Hirschal. Das geringe Interesse an ihnen lasse sich schon am Wirtschaftsparlament ablesen, das nur fünf von 80 Sitzen mit Ein-Personen-Unternehmern besetze. Dass dann weitab ihrer Lebensrealität agiert wird, sei klar. Lediglich vor Kammerwahlen nehme die Politik Kleine als Mehrheit wahr und greife einzelne Themen auf.

Für Hirschal sind sie eine Synthese aus Arbeitern und Unternehmern: auf der einen Seite Wille oder Zwang, Sinn in Arbeit abseits traditioneller Dienstverhältnisse zu finden; auf der anderen das permanente Risiko, in Geldnot zu geraten. "Ein, zwei Kunden weniger, ein Auftrag, der wegfällt, und man steht rasch am Rande der unternehmerischen Existenz."

"Verkehrte Welt"

Dringend gefragt sei vor allem eine zeitnahe Berechnung der Sozialversicherung, meint er. Nach einem guten Geschäftsjahr zwei, drei weitere Jahre hohe Beiträge zu zahlen, auch wenn die Aufträge dann wegbrechen, sei ein Beispiel "für die verkehrte Welt". Für die ersten fünf Jahre müsse die Kammerumlage abgeschafft werden, vor allem aber gehörten die Kleinen nach eigenem Schlüssel rein ins Wirtschaftsparlament.

In seinen gläsernen Kubus holt Hirschal Unternehmer, Psychologen, Ökonomen und Künstler. Verbringen wird er hier auch die Nächte. Eingesperrt ist er darin jedoch nicht, beruhigt er; für die Möglichkeit, kurz auszutreten, sei gesorgt. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 29.11.2014)