Kano - Bei einem verheerenden Angriff auf die Große Moschee der nigerianischen Millionenstadt Kano sind mehr als 120 Menschen getötet worden. Laut Rettungskräfte könnte die Zahl sogar bei bis zu 400 Opfern liegen, berichtete die BBC. Mit Sprengsätzen und Gewehren bewaffnete Angreifer attackierten während des Freitagsgebets die Moschee, deren oberster Geistlicher vergangene Woche zum Kampf gegen die Extremistengruppe Boko Haram aufgerufen hatte.

Laut vorläufigen Zahlen der Rettungskräfte wurden 270 Menschen verletzt. Vier Angreifer wurden von der Menge getötet.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte, Europa unterstütze die Regierung in Abuja im Kampf gegen den Terrorismus. Im Namen der EU drückte Mogherini den Familien der Opfer, der muslimischen Gemeinschaft und allen Nigerianern ihr Beileid aus. Auch UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteilte den Anschlag. Für Angriffe auf Zivilisten gebe es keine Rechtfertigung. Die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki, nannte die jüngsten Attentate im Nordosten des Landes "abscheulich".

Nigerias Präsident Goodluck Jonathan hat den Anschlag verurteilt und versprochen, die Täter zu bestrafen. Jonathan wies die Sicherheitsbehörden laut einer Mitteilung vom Samstag an, "nichts unversucht zu lassen, bis alle Terroristen gefunden und zur Rechenschaft gezogen sind". Er appellierte an das nigerianische Volk, "dem gemeinsamen Feind geschlossen zu begegnen". Alle Arten von Terrorismus seien eine "verachtenswerte und durch nichts zu rechtfertigende Bedrohung für unsere Gesellschaft".

Selbstmordattentäter

Ein Polizeisprecher sagte, zunächst hätten sich zwei Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt, bevor mehrere Schützen das Feuer auf die Flüchtenden eröffneten. Vier der Angreifer seien von der aufgebrachten Menschenmenge gelyncht worden, die anderen hätten im Chaos fliehen können. Augenzeugen berichteten, dass Sicherheitskräfte Schüsse abgegeben hätten, um weitere Angreifer abzuschrecken. Der Polizeisprecher schätzte die Zahl der Attentäter auf etwa 15.

Die Große Moschee ist direkt an den Palast des Emirs von Kano angeschlossen, des zweithöchsten islamischen Geistlichen in Nigeria. Emir Muhammad Sanusi II. hatte vergangene Woche in der Moschee zum bewaffneten Widerstand gegen die Islamistengruppe Boko Haram aufgerufen. Zugleich hatte er der Armee vorgeworfen, die Bevölkerung nicht vor den Angriffen zu beschützen. Wo sich der Emir zum Zeitpunkt des Anschlags befand, war unklar.

Ein AFP-Reporter zählte allein in der Leichenhalle einer Klinik 92 Tote. Hunderte Menschen suchten unter den Opfern nach Angehörigen. Ein Mitarbeiter der Rettungskräfte sagte, die Opfer seien in mindestens drei weitere Kliniken gebracht worden. Ob Boko Haram hinter dem Anschlag in Kano steckt, war zunächst unklar.

Über zehntausend Tote

Die sektenartige Bewegung kämpft seit Jahren mit Gewalt für einen islamischen Staat im mehrheitlich muslimischen Norden Nigerias. Seit Beginn des Konflikts im Jahr 2009 töteten die Extremisten bei Angriffen auf Armee, Behörden, Schulen und Kirchen mehr als zehntausend Menschen. Allein in den vergangenen Tagen wurden bei Anschlägen auf einen Markt in Maiduguri und auf Fischhändler am Tschadsee dutzende Menschen getötet.

Rund 80 der 170 Millionen Einwohner Nigerias sind Muslime. Der Emir von Kano ist für sie eine religiöse Respektsperson ersten Ranges. Nur der Sultan von Sokoto genießt noch höheres Ansehen. Dieser hatte am Montag die Sicherheitsbehörden wegen ihrer Unfähigkeit, die Angriffe der Extremisten zu verhindern, scharf angegriffen. Boko Haram wirft den islamischen Würdenträgern hingegen vor, den Islam zu verraten, indem sie Anordnungen der nigerianischen Regierung Folge leisten.

Kano ist mit zehn Millionen Einwohnern die größte Stadt im Norden Nigerias. Sie war bereits wiederholt Schauplatz blutiger Anschläge, der schlimmste davon im Jänner 2012, als mindestens 185 Menschen starben. Zuletzt waren am 14. November bei einem Selbstmordattentat mindestens sechs Menschen getötet worden. Wenige Stunden vor dem Anschlag in Kano gelang es den Sicherheitskräften in der Stadt Maiduguri, auf einem Markt mehrere Sprengsätze zu entschärfen. (APA, 28.11.2014)