Jeder hat Abgründe. Manche werden aber boulevardesker abgehandelt. Opfer-Täter-Umkehr geistert oft bei Gewalt von Männern gegen Frauen durch die Medien. Der Autor Thomas Glavinic verschiebt in seinem Album-Artikel vom 22.11. Gewalt von der Täterin zum Opfer. Gestützt wird dies von Aussagen C.s. Die Opfer haben ihre Sicht der Dinge wegen eines so unbeabsichtigten wie spontanen Betonbades schlecht darlegen können. Mit C.s Version werden Hinterbliebene leben müssen. Egal. Esti ist "geheimnisvoll" und "schön", und früher war alles besser. Sogar die Mörder. Die Störungen modern vernetzter Täter, die angeblich nicht im Affekt handeln, fallen weniger ins Gewicht. Glavinic ist klar, dass C. sich hätte trennen können, statt abzudrücken.

Aber dieser Affekt – zu dem konsequentes Beseitigen der Leichen nicht recht passen will – enthebe C. teilweise der Schuld, das Leben eines Menschen mit Absicht beendet zu haben. Das, was C. tat, sei schlimm, aber weniger schlimm als präzise geplante Morde, erläutert er, der nicht urteilen will. Florian Klenk hat vorgeführt, wie man über Strafvollzug berichten kann: distanziert. Mit Mitgefühl und Konsequenzen. Er kommt ohne Goethe-Zitate aus. Es gibt andere interessante Fälle.

Diese haben weder einen gemeinsamen Anwalt noch Bücher im selben Verlag wie der Anwalt. Was Glavinic in den Augen jenes gewiss auch Abgründe bietenden Häftlings gesehen hätte, dessen Beine bei lebendigem Leib verfaulten, werden wir leider nie erfahren. Ebenso wenig wie Gedankengänge über die Kontrolle seiner Körperöffnungen. (Julya Rabinowich, DER STANDARD, 29./30.11.2014)