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"Natürlich freu’ ich mich, dass sich Positionen, die ich mit den Grünen erarbeiten durfte, im Leitantrag wiederfinden", sagt der ehemalige Sozialsprecher Karl Öllinger.

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derStandard.at: Sie haben bei Ihrem unfreiwilligen Ausstieg aus der Politik geklagt, dass Sozialpolitik bei den Grünen als "nicht wichtig" gilt. Zwei Jahre später beschäftigt sich der Leitantrag am Bundeskongress dieses Wochenende mit diesem Thema. Späte Einsicht?

Öllinger: Sagen wir: Die Partei ist lernfähig. Der Kongress und die Beschlüsse sind wichtig, aber noch wichtiger ist es, in den nächsten Jahren etwas draus zu machen. Dafür braucht es die ganze Partei, nicht nur für ein Wochenende, sondern jahrelang.

derStandard.at: War es also ein Fehler, dieses Feld nicht früher größer zu beackern?

Öllinger: Ja sicher, aber Hauptsache ist, dass dieser Fehler erkannt wurde!

derStandard.at: Sie meinten einmal, die Parteispitze habe immer die Meinung vertreten, dass man dadurch nur der Politik der SPÖ helfe. Ist das jetzt anders?

Öllinger: Das Problem liegt in erster Linie in der Politikberatung. Die war und ist häufig der Meinung, dass sich eine Partei wie die Grünen auf ihre unique selling points beschränken soll, also auf die Bereiche, wo die Partei ein Alleinstellungsmerkmal hat. Für die Grünen hätte das lange Zeit bedeutet die Beschränkung auf Umweltpolitik – obwohl die ein breites Feld ist. Das habe ich immer für problematisch gehalten.

derStandard.at: War es nicht auch dem Populismus geschuldet, dass das Soziale in den Hintergrund gedrängt wurde, weil man mit lieben Tieren auf Plakaten eher Wähler gewinnt als mit linker Sozialpolitik?

Öllinger: Die Tiere vertragen sich bestens mit linker grüner Sozialpolitik, sicher auch auf Plakaten. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Die Grünen gewinnen Wahlen nicht mit bunten Bildern, dazu sind unsere Wähler und Wählerinnen viel zu kritisch.

derStandard.at: Die Grünen wollen einen Rechtsanspruch auf Sozialleistungen, eine Grundpension von 850 Euro. So richtig neu sind diese Forderungen nicht, oder?

Öllinger: Natürlich freu’ ich mich, dass sich Positionen, die ich mit den Grünen erarbeiten durfte, im Leitantrag wiederfinden. Mit dem grünen Pensionsmodell zum Beispiel ist uns ja wirklich etwas gelungen - nicht nur, weil es praktikabel ist, sondern auch weil es grüne Positionen sichtbar macht.

derStandard.at: Fehlt etwas im Leitantrag?

Öllinger: Nicht wirklich, weil es ja eher um das Programmatische geht, um eine klare Absage an eine Sozialpolitik, die sich auf Almosen und Gefälligkeitspolitik reduziert, hin zu einer Sozialpolitik, die auf Rechtsansprüchen gründet.

derStandard.at: Ärgert Sie es, dass Sie jetzt nicht mehr an Bord sind?

Öllinger: Meine Phantomschmerzen halten sich in sehr engen Grenzen, wenn ich mir etwa die Übertragung einer Nationalratssitzung im Fernsehen anschaue. Die realen Schmerzen, damit meine ich meine Krebserkrankung, haben mich im vergangenen Jahr ordentlich auf Trab gehalten und beschäftigt. Auch das verändert Perspektiven und Einstellungen.

derStandard.at: Das Kapitel Politik ist für Sie also abgeschlossen?

Öllinger: Aber nein! Dazu ist mein Leben viel zu sehr mit Politik, mit Engagement und Einmischen verbunden. Ich betreibe nach wie vor die Seite "Stopptdierechten.at" und arbeite im Rahmen der Grünen Bildungswerkstatt daran, dass Hass und Ausgrenzung nicht gesellschaftsfähig werden. (Peter Mayr, derStandard.at, 29.11.2014)