Jeff Koons, einst Börsenmakler, gehört zu den teuersten lebenden Künstlern weltweit. Manche vergöttern seine Werke und lassen Millionen springen, andere ignorieren seine Trivialitäten.

Foto: Christie's

Im industriellen Stil gedruckter Comics: "Crying Girl" von Roy Lichtenstein (Farboffsetlithografie).

Foto: Im Kinsky

Ein hohlspiegelartiges Werk von Anish Kapoor.

Foto: Dorotheum

108.000 bis 25 Millionen Euro: Ob als Gemälde ("Liz#3") oder Screenprint ("Marilyn"), Andy Warhol verstand mit leicht Erkennbarem zu verführen.

Foto: Sotheby's

Screenprint "Marilyn" von Andy Warhol.

Foto: Sotheby's

Gottfried Helnweins legendäre Mickey Mouse "Mouse XI".

Lucio Fontanas geschlitzte Leinwand "Concetto Spaziale, Attese".

20,5 Millionen: Jeff Koons verwandeltet Popeye zum fast zwei Meter hohen Kunstwerk, das im Frühjahr bei Sotheby's für Furore sorgte.

Foto: Sotheby's

Alfons Waldes "Almen im März".

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Die Geschichte begann mit einem Aufblashäschen, einem pinkfarbenen um genau zu sein. In einem der unzähligen Ramschläden auf der 14th Street in New York fristete es in den späten 1970er-Jahren sein kitschiges Dasein zwischen Spielzeug und anderem Krimskrams. Ignoriert von einer Vielzahl von Personen, nicht aber von einem ehemaligen Börsenmakler, der soeben aus Chicago hierher übersiedelt war. Sein Name: Jeff Koons. Der nahm das Plastikhaserl mit nach Hause, stellte es auf einen Spiegel und bezeichnete es als Kunst, beschrieb Buchautorin Sandra Danicke eine, wenn nicht die Schlüsselepisode in der Laufbahn des zwischenzeitlich teuersten lebenden amerikanischen Künstlers.

Dabei war Koons, der in Baltimore sowie Chicago Kunst studiert hatte und sechs Jahre lang an der Wall Street als Broker im Baumwollhandel tätig war, zunächst ein mittelmäßig erfolgreicher Zeitgenosse. Die Verbindung mit der ungarisch-italienischen Skandalpolitikerin und Pornodarstellerin Cicciolina (Ilona Staller) bescherte ihm jede Menge medialer Aufmerksamkeit. Die Porzellanbüsten, die Jeff und Ilona in sexuellen Posen zeigten, waren vielen zu trivial, zu selbstdarstellerisch, um provokant zu sein.

Kunst für den Massenkonsum

Und doch war es letztlich gerade die Banalität, die ihm zu Weltruhm verhalf. 1986 kam Koons auf die Idee, das Häschen in Edelstahl zu gießen und spiegelblank zu polieren. Das Kunstwerk als Projektionsfläche für alles Erdenkliche war geboren. Als Stellvertreter und Metaphern für Anerkennung, als Symbole für Akzeptanz, bezeichnete der Künstler diese Werke in einem Interview. Im Laufe der Jahre wurde das Motivrepertoire um Comichelden wie Popeye erweitert.

Dann kamen Hunde oder Affen hinzu, bei denen es sich formal schlicht um klassische Ballonfiguren handelt, die jeder über im Internet verfügbare Bastelanleitungen selbst gestalten könnte. Ab Mitte der 1990er ließ Koons solche (und andere) Objekte in Porzellan fertigen: in Auflagen von 2300 Stück, demnach ein Kunstprodukt für den Massenkonsum. Diese einst beispielsweise über den Museumsshop des Museum of Contemporary Art (Los Angeles) beziehbaren Objekte werden heute bei Auktionen zu Werten von etwa 7000 bis 10.000 Euro gehandelt.

Die finanzkräftige Klientel bediente Koons hingegen mit exklusiveren Ausführungen, mit überdimensionalen Formaten und in Kleinstauflagen (z. B. Dreier-, Fünfer-Editionen) mit unterschiedlicher Farbgestaltung. Mit zwei oder drei Meter Höhe fallen solche bereits in die Kategorie "Kunstmonster", die herkömmliche Vorstellungen von Skulpturen zu sprengen vermögen und für die Sammler wiederum 20 und teils bis zu 40 Millionen Euro zu berappen bereit sind.

Wände niederreißen lassen

Dementsprechend gefragt sind Arbeiten Jeff Koons' im Topsegment der Auktionshäuser, die dafür in jedweder Hinsicht keinen Aufwand scheuen - sei es, dass dem Verkäufer unabhängig vom Verlauf der Versteigerung ein bestimmter Geldbetrag garantiert wird, sei es, dass man, um sein magentafarbenes Hanging Heart überhaupt in den Ausstellungsräumlichkeiten präsentieren zu können. Wände niederreißen lassen muss, wie es sich etwa bei Sotheby's in New York begab. So schwerelos die Präsentation augenscheinlich dann wirkte - für die Anlieferung des 2,5-Tonners hatte man zuvor sogar die Straße sperren lassen müssen.

Im November 2007 fischte sich Galerist Larry Gagosian diese Skulptur für umgerechnet 16,16 Millionen Euro aus dem Sotheby's-Angebot. Mit 23,56 Millionen Dollar handelte es sich um den höchsten bis zu diesem Zeitpunkt für einen lebenden Künstler je bewilligten Wert. So richtig ernst nehmen möchte ihn der seriöse Kunstbetrieb teils trotzdem nicht mochte, insbesondere auf dem europäischen Kontinent. Also galt es den neuen "Sonnenkönig" des Kunstmarktes entsprechend zu inszenieren: Im Herbst 2008 hielten Koons' großformatige Nichtigkeiten folglich Einzug in Versailles. Die allererste Ausstellung eines lebenden Künstlers im epochalen Gemäuer vor den Toren von Paris, sorgte auch für Kritik: Solch infantiler Quatsch gehöre vielleicht nach Disneyland, aber nicht in ein historisches Schloss.

Leichte Erkennbarkeit

Auf dem Kunstmarkt ist die Nachfrage indessen ungebrochen. Vergangenes Jahr wechselten in den weltweiten Auktionssälen 82 Werke für insgesamt mehr als 75 Millionen Dollar den Besitzer. Dazu gehörte auch ein bei Christie's New York für 58,4 Millionen Dollar bzw. umgerechnet 43,46 Millionen Euro versteigerter Balloon Dog, ein neuer Rekord und ein weiteres Rätsel. Was macht diesen orangefarbenen Pudel so wertvoll, hinterfragte Autor Hanno Rauterberg damals in der Zeit: Er sei nicht sonderlich originell, nicht radikal, nicht tiefsinnig oder gar provozierend, "dieser Pudel ist nur eines: teuer. Und vermutlich deshalb so begehrt".

Dazu kommt ein weiterer, für die Bekanntheit des Künstlers und damit auch den Marktwert bestimmender Aspekt: die enorm leichte Erkennbarkeit. Kunst als schnell identifizierbarer Markenartikel, wenn man es darauf reduzieren will, ein Qualitätsmerkmal, das auch auf andere Künstler dieser und vor allem vorangegangener Generationen zutrifft.

Es war die Pop-Art, die das Triviale nicht nur bildwürdig machte, monumentalisierte und damit zeitgleich auch auf intelligente und zunehmend kritische Weise reflektierte. Als Kunstrichtung, die sich explizit an ein breiteres Publikum wandte, handhabten insbesondere die amerikanischen Künstler dies überaus pragmatisch und übernahmen viele Anregungen, bekannte Symbole und Marken direkt aus der Werbung. Man wollte eine moderne Kunst, so bunt wie das (moderne) Leben selbst, einschließlich aller Banalitäten.

Intellektuelle Präzision

Roy Lichtenstein verband in seinen Arbeiten beispielsweise lapidare, geistreich pointierte Simplizität mit eleganter Verfeinerung und intellektueller Präzision, wie ihm zeitgenössische Kritiker attestierten. Ganz bewusst nutzte er Elemente der industriellen Produktion kommerzieller Produkte, um damit zeitgleich die Abgehobenheit der Kunst vom alltäglichen und konsumgeprägten Leben zu kritisieren. Seine im industriellen Stil gedruckter Comics gemalten Werke gehören ebenso zu leicht identifizierbaren Trophäen, mit denen vermögende Sammler gerne ihre Kollektionen schmücken, wie die Arbeiten Andy Warhols.

Dieser entlehnte seine Motive ebenfalls aus der Populärkultur, wobei es irgendwie als "glamourös" empfunden werden sollte oder von ihm so uminterpretiert wurde. Bisweilen lag der Glamourfaktor in der rapportartigen Reproduktion einzelner Motive. 20 auf Leinwand verewigte Konterfeis einer Mona Lisa oder Liz Taylor war "besser" als nur eines, das Original zählte also weniger als die quantitative Vervielfältigung. 1962, als er in Los Angeles die erste Einzelausstellung bestritt, hatte er dafür 32 fast identische Bilder von Campbell's Soup Cans gefertigt - eben weil es diese Suppenkonserve in 32 unterschiedlichen Geschmacksrichtungen gab. Damals begegnete man diesen Bildern mit totalem Unverständnis, nichts wurde verkauft, Warhol bekam 1000 Dollar dafür. 1996 wechselte die Gruppe an das Museum of Modern Art in New York, für damals horrende 15 Millionen Dollar.

Zehn Jahre später purzelten die Rekorde im Jahresrhythmus und tun dies bis heute. Erst im Mai wechselte eine klassische Marilyn, die Warhol in unzähligen Farbvarianten produzierte, diese in weiß-grauen Schattierungen, bei Christie's in New York für stolze 41 Millionen Dollar den Besitzer.

Wiedererkennungswert

In der unglaublichen Menge an Gemälden oder Skulpturen, die auf dem Markt kursieren, spielen solche mit Wiedererkennungswert eine beachtliche Rolle, da ihre Künstler davon unweigerlich profitierten - zu Lebzeiten, aber auch posthum.

Dazu gehören Vertreter der Moderne ebenso wie Zeitgenossen: Ein Lucio Fontana mit den charakteristisch geschlitzten Leinwänden aus den 1960er-Jahren genauso wie die hohlspiegelartigen Werke des gebürtigen Inders und britischen Bildhauers Anish Kapoor.

Und auch die Alpenrepublik hat solche "Markenstars" vorzuweisen: mit Gottfried Helnwein und "seiner" Mickey Mouse, die in einer 2,4 Meter breiten gemalten Version vergangenes Jahr via Dorotheum in der Auktionsbranche mit 110.100 Euro einen Künstlerrekord einspielte.

An der Spitze steht jedoch unangefochten Alfons Walde, dessen hinsichtlich der Vielfalt überschaubares Motivrepertoire - mit dem er einst vermögende Wintersporttouristen bediente - als Geheimnis der posthumen Preisentwicklung hiermit entlarvt sei. (Olga Kronsteiner, DER STANDARD, Portfolio)