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900 Polizisten beteiligten sich an der Aktion in Graz, Wien und Oberösterreich.

Grafik: APA/Barbara Gindl

Graz/Wien/Linz - Zwei Jahre lang ermittelte das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, am frühen Freitagmorgen erfolgten die Zugriffe: Die heimische Exekutive geht massiv gegen Islamisten vor.

Die unter der Leitung der Staatsanwaltschaft Graz stehenden Aktionen in Graz, Wien und Linz richten sich vor allem gegen zwei Personen: Einen bosnischen Staatsbürger, einen Prediger in der steirischen Landeshauptstadt, und Mirsad O., einen unter dem Namen Ebu Tejma auftretenden, in Wien lebenden serbischen Staatsbürger. Für alle gilt die Unschuldsvermutung.

13 Haftbefehle, 20 Hausdurchsuchungen

Der Verdacht: Eine Gruppe von Radikalen soll nicht nur Hass gepredigt, sondern auch Kämpfer für die Terrorgruppen im Nahen Osten rekrutiert und unterstützt haben. 13 Haftbefehle wurden ausgestellt, gut 20 Hausdurchsuchungen fanden statt – in Wohnungen ebenso wie in Fahrzeugen und Gebetsräumen.

Auch diverse Beschlagnahmungen fanden statt, darunter Propagandamaterial, Datenträger und ein Schlagring. Andere Waffen wurden dem Vernehmen nach nicht entdeckt. 16 Personen wurden laut Staatsanwaltschaft Graz "zur Einvernahme vorgeführt".

Hauptort des Einsatzes, an dem an die 900 Beamte, darunter auch die Spezialkräfte von Cobra und Wega, in ganz Österreich beteiligt waren, war Graz: In der steirischen Landeshauptstadt, die neben Wien als einer der Hotspots der islamistischen Szene Österreichs gilt, spielten sich die Hausdurchsuchungen und Festnahmen vor allem im Umfeld von Hinterhofmoscheen im Bezirk Lend ab.

Prediger in Wien-Leopoldstadt

Der in Wien verhaftete Ebu Tejmar ist für die Polizei kein Unbekannter: Er predigte in der Altun-Alem-Moschee in Wien-Leopoldstadt, die seit langem als Treffpunkt Radikaler gilt und unter Beobachtung der Staatsschützer stand. Auch jene beiden minderjährigen Mädchen, deren Reise nach Syrien für Aufregung sorgte, sollen dort rekrutiert worden sein.

Gegen den Vorwurf, er habe die beiden Mädchen angeworben, hat sich der 32-jährige Mirsad O. allerdings medienrechtlich erfolgreich, wenn auch nicht rechtskräftig gewehrt. "Heute" und "Österreich" hatten diese Behauptung veröffentlicht. Die Medienrichter Stefan Apostol und Gerald Wagner verurteilten am Wiener Straflandesgericht die Medien zu 2.500 beziehungsweise 1.500 Euro Entschädigung.

"Hassprediger" ist legal

Für die beiden Richter war aufgrund der Zeugenaussagen nicht bewiesen, dass der Mann die Minderjährigen tatsächlich "nach Syrien getrieben" hatte, wie es in einer Urteilsausfertigung heißt. Allerdings: Den Begriff "Hassprediger" fanden beide Richter in Ordnung.

Auch das hatte der 32-Jährige in den Verhandlungen bestritten. Auf zusammengeschnittenen Videos im Internet ist allerdings zu hören, wie er sagt, dass "Osama Bin Laden sein ganzes Leben für Muslime geopfert hat" und dass deshalb "kein Muslim Bin Laden hassen könnte".

O.s Anwalt Lennart Binder war für eine Stellungnahme vorerst nicht erreichbar, da er ganztägig im Wiener Neustädter "Schlepperprozess" verhandelte.

Verdächtiger in Wahhabiten-Gemeinschaft

Laut bosnischen Medien wurde Mirsad O. wurde in der serbischen Kleinstadt Tutin im Sandschak geboren, gehörte jedoch später der Wahhabiten-Gemeinschaft in Gornja Maoca in Bosnien-Herzegowina an.

Der Festgenommene wird in enge Verbindung mit dem Anführer der Wahhabiten in Bosnien, Bilal Bosnic, gebracht. Dieser wurde am 3. September gemeinsam mit weiteren 15 Personen unter dem Verdacht festgenommen, islamische Kämpfer nach Syrien und in den Irak geschickt zu haben.

Die bosnische Staatsanwaltschaft beantragte am Freitag eine Verlängerung der Untersuchungshaft für Bosnic um weitere 25 Tage.

Verdächtiger schon einmal in Haft

Der Hauptverdächtige in Graz, dem Vernehmen nach Prediger in der Furkan-Moschee in der Grazer Elisabethinergasse, soll bereits einmal kurzfristig festgenommen worden sein, wurde aber wieder entlassen. Gleichzeitig liefen die Ermittlungen der Verfassungsschützer weiter – unter anderem mit dem selten durchgeführten "großen Lauschangriff".

Auch in anderen Grazer Stadtteilen, Lend, Grieß und Gösting, beobachteten Anrainer massive Polizeieinsätze.

Die steirische Landeshauptstadt war schon den vergangen Monaten mehrmals im Zusammenhang mit radikalem Islamismus - Graz gilt als Hot Spot in Österreich - in die Schlagzeilen geraten. Kurzfristig für Aufregung sorgte eine Meldung einer englischen Zeitung, wonach die Muslimbruderschaft plane, ihr Europazentrum in die steirische Landeshauptstadt zu verlagern.

Zentrum der Muslimbruderschaft

Graz ist tatsächlich seit Jahrzehnten ein Zentrum der Bruderschaft. Der selbst ernannte Außenminister der Muslimbruderschaft sowie ein weiteres prominentes Mitglied lebten einige jahre in Graz. Hier wohnte auch einer der einflussreichsten Berater des früheren Ägyptischen Staatspräsidenten Mursi. Er sitzt angeblich seit dem blutigen Umsturz im Sommer 2013 in Ägypten in Haft, seine Familie lebt nach wie vor in Graz.

Zu Jahresbeginn ist im Straflandesgericht ein "Islamistischer Gangsta-Rapper" erstinstanzlich verurteilt worden. In Videoclips und Social Media-Einträgen soll der Grazer laut Staatsanwaltschaft "Drogenhandel und den Jihad" verherrlicht haben.

Staatsanwalt Johannes Winklhofer hatte sein Plädoyer in eine allgemeine Warnung vor radikalen islamistischen Strömungen in Österreich gepackt. "Wir können nicht dulden, dass hier zum Krieg gegen Juden aufgefordert wird", sagte Winklhofer.

Laut Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) handelt es sich um "einen der größten Einsätze in der Geschichte des österreichischen Staatsschutzes". Der Einsatz im Rahmen der Anti-Terror-Offensive sei "die neuerliche Bestätigung unserer ganz klaren Botschaft an alle Jihadisten in Österreich: Ihr seid hier nicht sicher!"

Warnung vor Übergriffen auf Unschuldige

Gleichzeitig warnte die Innenministerin davor, die großangelegte Polizeiaktion für populistische Hetzerei zu benützen. Wer das tue, würde sich mitschuldig machen, "wenn es zu Übergriffen auf Unschuldige kommt".

Bewahrheitet sich der Verdacht von Staatsanwaltschaft und Ermittlern, drohen den Verdächtigen nach Paragraf 278b des Strafgesetzbuchs wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zwischen einem und zehn Jahren Haft. (Michael Möseneder, Walter Müller, APA, derStandard.at 28.11.2014)