Wien - "Wenn McKinsey kommt, geht der Journalismus", schrieb Hannes Haas, der im Frühjahr überraschend verstarb. Ein Symposium über Medien und Qualität in Wien erinnert Donnerstag und Freitag an den Kommunikationswissenschafter. Sein Zitat führte Donnerstagabend auf dem Podium zu einem recht offenen Austausch über Unternehmensberater in Medien.

APA-Chefredakteur Michael Lang warf es als Moderator in die Runde, die alles andere als moderat über McKinsey und Co reagierte: "Bei uns ist gerade Boston Consulting", eröffnet ORF-Anchor Armin Wolf den Erfahrungsaustausch. BCG liefert in diesen Tagen ORF-Chef Alexander Wrabetz Empfehlungen für eine künftige Führungs- und Organisationsstruktur auf dem Küniglberg, wo erstmals ein gemeinsames Newscenter alle ORF-Medien von Fernsehen und Radio bis Online und App zusammenführt.

"Das könnte ich in einer Woche auch schreiben"

Nicht weit entfernt von einer halben Million kostet die Argumentationshilfe von BCG, und dieser durchaus ansehnliche Wert fällt auch Armin Wolf als nächstes ein nach Boston Consulting. Und als nächster Satz: "Ich glaube, das könnte ich in einer Woche auch schreiben."

Foto: Matthias Cremer

"Wollen wir teilen?", scherzt Moderator Lang an dieser Stelle; er würde durchaus schon für ein Viertel des BCG-Honorars gerne an Wolfs Strukturempfehlungen für den Küniglberg mitarbeiten.

Wolf ist Mitglied der TV-Chefredaktion im ORF, und den Chefredakteuren von TV, Radio und Online winkte ORF-General Wrabetz schon vor ein paar Wochen dankend ab: Sie wollten in einer Arbeitsgruppe eine neue Führungsstruktur für die vereinten ORF-Medien vorschlagen.

"Was man oben reinwirft, kommt unten wieder raus"

Gerald Grünberger, Geschäftsführer des Zeitungsverbandes VÖZ, spricht bei der Gelegenheit aus, was viele im und um den ORF als Hauptaufgabe von Consultern sehen, die er "nicht verteufelt" sehen will: "Unternehmensberater sind nur so gut, wie sie gebrieft sind", sagt er: "Was man oben reinwirft, kommt unten wieder raus", und da meint er nicht das Honorar, sondern die erwünschten Inhalte: Wer "die Zielrichtung nicht vorgibt", dürfe sich nicht wundern, "wenn, nicht rauskommt, was man erwartet". Bei Boston Consulting darf man von einem professionellen Briefing des ORF-Generals ausgehen.

"Kein einziges Mal verwirklicht"

Der Journalist Engelbert Washietl ist unter anderem Sprecher der Initiative Qualität im Journalismus (IQ) und war Chefredakteur bei "Salzburger Nachrichten" und danach Vize-Chefredakteur des "Wirtschaftsblatt". Seine Erfahrung mit Unternehmensberatern fasst er so zusammen: "Bringt nicht viel." Weil: Ihre Vorschläge wären "kein einziges Mal so verwirklicht worden".

"Wieviele Zeichen pro Vollzeitäquivalent"

Corinna Milborn ist Info-Chefin von ProSiebenSat.1Puls4, ein so sperriger Konzernname, dass selbst seine Infochefin die Sender in ihrem ersten Statement neu ordnet. Davor war sie stellvertretende Chefredakteurin von "News". Sie schöpft wohl aus ihrem Erfahrungsschatz aus der nach diesem Magazin benannten Verlagsgruppe, wo im vergangenen Jahrzehnt schon mancher Berater zugange war, wenn sie sagt: Wenn Consulter da waren, dann "weiß man, wieviele Zeichen pro Vollzeitäquivalent geschrieben und gedruckt werden". Das deutet nicht unbedingt darauf hin, dass sie der Beraterbranche große Wertschätzung entgegenbringt, wenn diese, wie oft, mit Sparvorgaben ins Haus kommen.

Anderswo in der Welt billiger

Und welche Erkenntnisse lieferten Unternehmensberater, womöglich gar McKinsey, einst bei n-tv als der Nachrichtensender noch nicht komplett zur RTL-Gruppe gehörte? STANDARD-Herausgeberin Alexandra Föderl-Schmid kennt Weisheiten aus diesem schon rund ein Jahrzehnt alten Befund: Anderswo in der Welt könnte Journalismus billiger produziert werden als damals bei n-tv in Berlin.

Seither entsteht n-tv in Bangalore?, scherzt APA-Chefredakteur Michael Lang dazwischen. "Bei RTL in Köln", präzisiert Föderl-Schmid. (fid, derStandard.at, 27.11.2014)