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Die Zahl der Lehrbetriebe sinkt, viele Junge müssen in überbetriebliche Ausbildungen ausweichen.

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Wien - Es ist ein Stempel, der sich nicht so leicht wegwischen lässt: Österreich erntet mit dem Modell der überbetrieblichen Ausbildung für Lehrlinge europaweit viel Lob. Doch die Jugendlichen selbst machen damit aus Sicht der Gewerkschaft zunehmend auch schlechte Erfahrungen. Gerade im Handel werde den Jungen von den Betrieben oft nahegelegt, sich besser an eine staatliche Ersatzlehre zu halten und erst später fürs Praktikum zu ihnen zu kommen. Wer sich dann gut anstelle, werde behalten.

Helmut Gotthartsleitner, Bundesjugendsekretär in der GPA-djp, will das Auffangnetz für Junge, die am freien Arbeitsmarkt keinen Job finden, nicht schlechtreden. Aber viele Unternehmen, die eigentlich selbst ausbilden sollten, machten es sich damit einfach. "Und dann von tollen Quoten bei der Lehrlingsübernahme zu reden, ist Augenauswischerei." Hier werde gesellschaftspolitische Verantwortung der Unternehmen an die Allgemeinheit abgegeben - was Geld koste, das anderswo für Arbeitslose fehle. "15-Jährigen wird vermittelt: Du kannst nichts, musst in die 'Überbetriebliche', kriegst anders keinen Job. So etwas hängt nach."

Weniger Lehrbetriebe

Die Zahl der Lehrbetriebe ist in Österreich seit 2008 um 5800 auf 32.200 gesunken. Die Gründe dafür sind komplex: Folgen der Krise spielen ebenso herein, wie demografische Veränderungen. Die Zahl der 15-Jährigen sinkt, viele ziehen Schule der Lehre vor. Produzierende Firmen werden weniger. Die Anforderungen an Junge steigen. Angesichts von Bildungslücken tun sich Unternehmer den Aufwand, Jugendliche von Beginn an selbst auszubilden, nicht an.

5654 Euro kostet die öffentliche Hand die Ausbildung eines Lehrlings in einem Betrieb. 16.635 sind es, wenn dieser in überbetriebliche ausweichen muss, zeigt die jüngste Studie des Ibw (Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft). Derzeit sind 9187 Jugendliche in staatlicher Ersatzlehre, die vor allem in Wien und Niederösterreich stark ausgeprägt ist. 42 Prozent unter ihnen sind Frauen.

Viele Lehrabbrecher

Der Anteil an Lehrabbrechern bei der "Überbetrieblichen" ist mit 36 Prozent markant höher als in der Lehre insgesamt. Jeder Zehnte schafft die Lehrabschlussprüfung nicht. Bei der Ausbildung direkt in den Betrieben scheitern lediglich fünf Prozent daran.

Dass Jugendliche zu leichtfertig in die staatliche Ersatzlehre abgeschoben werden, weisen Arbeitsmarktservice wie Wirtschaftskammer zurück. Diese komme nur jenen zugute, die anders keine Chance auf eine Lehre hätten, sagt AMS-Sprecherin Beate Sprenger. "Oft sind es nur Startschwierigkeiten." Nach einem Jahr finde österreichweit bereits die Hälfte un- ter ihnen eine Lehrstelle, in Wien sei es ein gutes Drittel. "Das zeigt, es hat sich bewährt."

Kein Lehrling zweiter Klasse

Sie sei kein Freund überbetrieblicher Ausbildung, sagt Handelsobfrau Bettina Lorentschitsch und sieht auf beiden Seiten Potenzial nach oben. Der Wettbewerb um Junge werde aber zunehmend härter. Die sogenannten Stiftlinge seien daher sicher keine Lehrlinge zweiter Klasse. Insgesamt investiere der Handel nach wie vor viel in seine Nachwuchskräfte.

Seit September erhalten Betriebe einen Bonus von 1000 Euro für jeden Lehrling, den sie aus übertrieblicher Ausbildung holen und behalten. 101-mal wurde er heuer ausbezahlt, sagt Edith Kugi-Mazza, Expertin der Arbeiterkammer. Ob es sich dabei um Mitnahmeeffekte handelt oder der Bonus echter Anreiz ist - das zu beurteilen, sei es zu früh. Für Kugi-Mazza ist die "Übertriebliche" für Junge die Chance, sich auch ohne gute Noten zu beweisen. So sehr sich aber viele Betriebe um die Lehre bemühten - es brauche ehrliche Blicke auf ihre Ausbildungsprozesse. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 28.11.2014)