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Werner Faymann allein an der Spitze: Der Kanzler muss um die Gunst der SPÖ-Delegierten buhlen. Der Parteitag droht zur Abstimmung über die Zufriedenheit mit der Regierungsarbeit zu werden.
Foto: Reuters/Foeger

Der Kanzler gibt vor dem Parteitag keine Interviews. Auch die roten Parteigranden halten sich mit Statements bedeckt. Die ganze Inszenierung des Parteitages ist auf den kleinstmöglichen Unfall ausgelegt: Zuerst wird gewählt, erst dann folgen die inhaltlichen Diskussionen. Und die Wahl ist so angesetzt, dass das Ergebnis für Faymann möglichst nicht zur Primetime bekannt wird - Freitagabend, ungünstig für die Zeitungen, zu spät für die ZiB 1. "Der Werner ist sehr nervös, seit Wochen schon", sagt ein Vertrauter aus seinem Umfeld.

Mehr als 99 Prozent hat ihm unlängst der schwarze Vizekanzler vorgelegt - und noch einige Promille mehr der blaue Möchtegern-Kanzler beim Wiener FPÖ-Parteitag: Wenn Faymann am Freitagnachmittag in der Messe-Halle D in der Wiener Krieau vor 546 stimmberechtigten Funktionären für seine Wiederwahl das Wort erhebt, wird die Nervosität unter den Genossen ihren Höhepunkt erreicht haben.

Erste Schuldzuweisungen

Der Parteitag treibt den Organisatoren die Schweißperlen auf die Stirn - und hinter den Kulissen bekommt man die ersten Schuldzuweisungen dafür zu hören, dass der Ablauf zum Fiasko geraten könnte. Die Abstimmung über Faymann, die eigentlich zu einem herzeigbaren Jubelergebnis und zu Aufbruchsstimmung vor dem Superwahljahr 2015 führen sollte, wurde erst kurz vor Mitternacht anberaumt - und dann doch noch auf 20 Uhr verlegt. Immer noch spät genug.

Die rote Anspannung hat einen guten Grund: Beim Partei-Konvent vor zwei Jahren wurde Faymann gerade einmal mit 83,4 Prozent von den Delegierten bestätigt - was das zweitschlechteste Ergebnis eines SPÖ-Vorsitzenden seit 1945 darstellt (siehe Grafik). Dazu kommt, dass die Meinungsforschungsinstitute der SPÖ derzeit schlechte Werte ausweisen - ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit ÖVP und FPÖ.

"Wir Sozialdemokraten sind im Marketing miserabel", sagt etwa der Tiroler SP-Chef Ingo Mayr. Nun müsse vor allem die Basis wieder gestärkt werden.

Hat Faymann tatsächlich so viel falsch gemacht, dass er seinem Votum entgegenzittern muss? Seit Ausbruch der großen Krise im Jahr 2008 Kanzler und oberster Sozialdemokrat, predigt er immer wieder, wie gut das Land von seiner Koalition durch die schweren Zeiten gesteuert wird. Doch den Menschen ohne Job nützen die Verweise Richtung Süden, wo in Europa Rekordarbeitslosigkeit herrscht, recht wenig, analysiert der Politologe Peter Filzmaier. Faymanns SPÖ müsse endlich ein strategisches Konzept gegen die oft allzu simplen Antworten der FPÖ aufbieten - und Angebote für die vielen neuen Selbstständigen, prekär Beschäftigten, Teilzeitkräfte finden, denn den Genossen brechen vor allem Wähler rund um 30 weg.

Stattdessen reibt sich die Kanzlerpartei allzu oft mit dem Regierungspartner - siehe Vermögensabgaben, die Faymann fordert und gegen die sich die ÖVP stemmt. "Immer wieder nimmt man sich da die ÖVP zum Gegner, obwohl es zwischen Rot und Schwarz kaum Wechselwähler gibt", erklärt Filzmaier.

Lax statt kämpferisch

Während der rote Sonnenkönig Bruno Kreisky einst für den Sozialstaat stand, der schwarze Kanzler Wolfgang Schüssel für "mehr privat, weniger Staat", habe es Faymann bisher verabsäumt, mit einem "großen Thema, einer großen Überschrift" zu punkten. Der Experte: "In Faymann sieht man nicht den Kämpfer für Arbeitsplätze" - und das gerechtere Steuerkonzept für das Land übernehme seine Partei von der Gewerkschaft, "anstatt dass es umgekehrt wäre".

Genau diese Laxheit nehmen die Jungsozialisten ihrem Parteichef übel. Seit Wochen macht ihre Chefin Julia Herr kein Geheimnis daraus, dass sie Faymann am Parteitag nicht wählen wird: "Seit 2010 fordert die SPÖ vermögensbezogene Steuern, man kann das nicht jedes Mal auf die Wahlplakate schreiben, wenn dann nichts passiert." Auch an der mangelnden innerparteilichen Demokratie stoßen sich die Jungen, deswegen wollen sie mehr Druck machen.

Allzu kritische Geister wie die Oberösterreicherin Sonja Ablinger wurden unter Faymann ins politische Aus manövriert. Für die EU-Wahl setzte der SPÖ-Chef lieber auf einen Quereinsteiger, der den Wahlkampf vermasselte. Dafür stellt die widerspenstige Sektion 8 in der SPÖ Alsergrund, die ebenfalls einen innerparteilichen Demokratisierungsschub einfordert, am Freitag keinen einzigen Delegierten. Sektionsleiter Nikolaus Kowall fühlt sich im Umfeld des Kanzlers zwar angehört, doch er und seine Leute wurden mit ihren Verbesserungsvorschlägen auf den Parteitag in zwei Jahren vertröstet: "Alles setzt auf Vorsicht und Sicherheit", sagt er.(Michael Völker, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 28. 11. 2014)