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John McLaughlin bei der Pflege und Verwaltung des virtuosen Jazz-Erbes.

Foto: AP/Grdanoski

Wien – Ein paar fehlen noch. John Zorn. Sonny Rollins. Und Ornette Coleman. Auch Wayne Shorter, der aber keine Club-Engagements annimmt. Dasselbe gilt natürlich für die großen Pianisten, Herbie Hancock und Keith Jarrett. Sonst waren sie beinahe alle da: In der mittlerweile 21-jährigen Geschichte des Porgy & Bess beehrte von Cecil Taylor bis Cassandra Wilson beinahe alles, was Rang und Namen hat, den Wiener Jazzclub, der nicht von ungefähr europaweites Renommee genießt. Aktuell kann Porgy-Leiter Christoph Huber einen weiteren Großen von der "To-do"-Liste streichen: Gitarrist John McLaughlin gastierte zwei Tage lang in der Riemergasse.

Natürlich, vom mittlerweile 72-jährigen, in allen Würden ergrauten Briten Überraschendes zu erwarten, würde bedeuten, hier den falschen Maßstab anzulegen. Zumal McLaughlins Projekte gerade in den letzten Jahren oft retrospektiven Charakter aufwiesen: Man erinnere sich an die "Five Piece Band" mit dem Ex-Miles-Davis-Band-Kollegen Chick Corea oder die x-te Neuauflage des Indo-Jazz-Projekts Shakti.

Erinnerungen an den Fusion-Sound

Das seit 2007 bestehende, mit Gary Husband (Keyboards), Etienne Mappé (E-Bass) und Ranjit Barot (Schlagzeug) besetzte Quartett 4th Dimension könnte man als eine Art Quersumme der musikalischen Lebenserfahrungen McLaughlins interpretieren: Finden sich hier doch sowohl Anklänge an die Blues-Rock-Anfänge in den frühen 1960ern als auch an den energiegeladenen Fusion-Sound des Mahavishnu-Orchestra.

Der Dienstag-Abend folgte in der Dramaturgie weitgehend jener der 2014 erschienenen 4th Dimension-CD The Boston Record, beginnend mit "Raju" und "Little Miss Valley", einem zwölftaktigen Blues mit sattem Backbeat. Das ist Musik, in der die Zeit ein wenig stehen geblieben scheint, die Note für Note auch schon vor 30 und gar 40 Jahren so hätte gespielt werden können. Husbands eloquente Keyboard-Lines im mittlerweile etwas verstaubten 1980er-Jahre-Rock-Jazz-Sound ebenso wie Etienne Mbappés virtuose, auch bei langsameren Tempi weitgehend ungebremste Hochgeschwindigkeitssoli, und natürlich McLaughlins ebenfalls immer noch sportliche Rasanz atmende Gitarristik.

Immerhin, bei aller meisterhaften, auf hohem Energielevel zelebrierten Routine, hörte man auch momentweise so etwas wie echte Spontaneität: Etwa wenn McLaughlin in "Abbaji", gewidmet dem verstorbenen Tabla-Spieler Alla Rakha, seine Linien nach Art der indischen Doppeltrommel phrasierte. Oder wenn er in "The Light at The Edge of the World" mit wenigen Noten weite Bögen spannte, um sich zwischendurch unvermittelt in einige wenige Motivtöne regelrecht zu verbeißen. Energie pur bedeuteten naturgemäß Stücke wie "Echoes From Then", in denen Gary Husband sich als zweiter Schlagzeuger betätigte und mit Ranjit Barot hinreißende Duelle lieferte. Pharoah Sanders’ "The Creator Has A Masterplan" hingegen geriet zur kitschigen Nostalgie-Studie. John McLaughlin und seine Band erfüllten die Erwartungen. Das Publikum applaudierte dankbar. (Andreas Felber, DER STANDARD, 27.11.2014)