Wurde sie wirklich eigenhändig von ihrer Mutter aus den Händen der IS befreit? Hat sie in Syrien tatsächlich Terroristen trainiert? Oder ist sie keine Täterin, sondern selbst ein Opfer?

Diese Fragen beschäftigen die Niederländer seit der Rückkehr der 19-jährigen Jihadistin Aisha, einer zum Islam bekehrten Christin aus Maastricht. Letzten Mittwoch landete sie mit ihrer Mutter Monique auf dem Amsterdamer Flughafen und wurde sofort festgenommen. Weil sie, so die Staatsanwaltschaft, "mit gewalttätigen Motiven abgereist war, um sich an einem gewalttätigen Kampf zu beteiligen".

Am Dienstag soll Aisha erstmals vor dem Haftrichter erscheinen. Die junge Frau hat eine Erklärung abgegeben, doch der Inhalt wird geheimgehalten. Auch ihre Anwältin Francoise Landerloo muss schweigen. Die Umstände von Aishas Rückkehr sind unklar: Zunächst hieß es, die Mutter habe sich tiefverschleiert in die IS-Hochburg Rakka gewagt. Doch Oberstaatsanwalt Roger Bos sagte am Freitag, sie sei nur bis zur türkisch-syrischen Grenze gekommen, habe ihr Kind dort abgeholt.

Rasche Radikalisierung

Aisha hatte sich innerhalb kürzester Zeit radikalisiert. Bis zu ihrem 18. Lebensjahr sei sie ein ganz normales niederländisches Mädchen gewesen, lebenslustig, mit langen dunkelblonden Haaren, so die Mutter: "Sie saß gerne am Klavier."

Doch dann habe sie den Islam entdeckt, sei tagelang in ihrem Zimmer gesessen und habe im Internet gesurft. Sie habe sich bekehrt, in Aisha umbenannt, nur noch tiefverschleiert das Haus verlassen. Im Januar 2014 sah Aisha im Fernsehen ein Interview mit dem niederländischen Jihadisten Omar Yilmaz gesehen, der in Syrien gegen das Assad-Regime kämpft. Sie habe sich in ihn verliebt und sich mit ihm verlobt, nachdem sie über soziale Netzwerke mit ihm in Kontakt gekommen sei.

Pass entzogen

Die Mutter informierte die Behörden, Aisha wurde der Pass entzogen - sie besorgte sich einen Personalausweis. Am 18. Februar reiste sie nach Syrien ab, hielt mit der Mutter aber vorerst über die sozialen Medien Kontakt.

Dann herrschte plötzlich Funkstille, bis sich eine Freundin Aishas meldete, die sich ebenfalls in Syrien befand: Sie habe per SMS einen Hilferuf von Aisha erhalten. Die Mutter war daraufhin nicht mehr zu halten: Zweimal sei Monique in die Krisenregion gefahren, zuletzt direkt nach Rakka, um die Tochter zu befreien, "unter Einsatz ihres eigenen Lebens", so Anwältin Landerloo.

Ob das wahr ist, bleibt abzuwarten. Ob Aisha für schuldig befunden wird, den Jihad unterstützt zu haben, ebenfalls - laut ihrer Mutter wollte sie in Syrien ein Waisenhaus errichten. Insgesamt sollen 100 niederländische Jihadisten im Nahen Osten kämpfen, darunter 30 Frauen. (Kerstin Schweighöfer aus Amsterdam, DER STANDARD, 24.11.2014)