Fritz Neugebauer, der oberste Vertreter aller Beamten und Vertragsbediensteten des Bundes, versichert die Soldaten des Bundesheeres und die Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums der vollen Solidarität der gesamten Gewerkschaft, falls die Regierung auf ihre Kosten zu sparen versucht.

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STANDARD: Wenn man über Beamte spricht, dann hört man oft: Die verdienen zu viel und leisten zu wenig. Bekommen Sie das als Beamtengewerkschafter auch zu hören, oder sind Sie da zu abgehoben?

Neugebauer: Na, das ist ja nix Neues, das gibt es seit Joseph II. Nur ist das nicht faktenorientiert, das ist Populismus pur. Die Fakten, die ich quer durch alle Gruppen des öffentlichen Dienstes sehe: Es herrscht überall Personalknappheit. Jeder spürt die Restriktionen der letzten Jahre - dass man nach dem Gießkannenprinzip nur jede zweite Stelle nachbesetzt hat, war nicht wirklich durchdacht.

STANDARD: Der Bürger sieht nur, dass seine Anliegen nicht oder nur langsam behandelt werden - und vermutet, dass die Beamten langsam sind?

Neugebauer: Das ist dann die Auswirkung. Ich war unlängst im Landesgericht auf der Zweierlinie bei den Kanzleibediensteten - das sind die, die alles zu Papier bringen müssen, wenn jemand eingeliefert wird, sie müssen alles mitschreiben und das der Staatsanwaltschaft ordentlich hinlegen. Die pfeifen aus dem letzten Loch. Die arbeiten Samstag, Sonntag, nehmen sich die Arbeit mit nach Hause. Ganz arg ist es bei der Finanz: Da legt der Rechnungshof den Finger drauf, dass dort 190 Leute im Prüfbereich eingespart wurden - das ist heller Wahnsinn, das ist in Wirklichkeit Vorsatz! Da wird das Steuerrecht nicht objektiv abgearbeitet. Da wären 2,3 Milliarden abgerechnet und das ist abrufbar - es wird aber nicht abgerufen, weil wir keine Leute haben. Minister Schelling hat 550 neue Planstellen angekündigt, aber diese Leute brauchen ja erst eineinhalb Jahre Ausbildung.

STANDARD: Aber da gibt es schon auch Ineffizienzen?

Neugebauer: Das hat der Minister erkannt. Und er hat dankenswerterweise gesagt: "Ich brauche keine externen Zurufe, Ihr Mitarbeiter müsst sagen, wo wir im Steuerrecht ineffizient sind." Wir jagen offensichtlich manchen Peanuts nach und vergessen die großen Brocken. Die Kollegenschaft hat eine Menge interner Expertise zur Steuervereinfachung - da sind erhebliche Beträge drin, die bis an eine Milliarde reichen können.

STANDARD: Eine Milliarde, die wo genau hereinkäme?

Neugebauer: Durch Vereinfachungen - das würde auch der Wirtschaft einiges bringen.

STANDARD: Während es bei der Finanz zu wenige Mitarbeiter gibt, gibt es im Bundesheer aber zu viele?

Neugebauer: Das ist nicht gesagt. Es gibt einen eindeutigen Willen des Volkes - Demokratie macht man ja nicht zum Spaß, dem Ergebnis der Volksbefragung ist zu folgen. Normalerweise macht man beim Militär eine Beurteilung der Lage, dann erarbeitet man eine Strategie, und dann sucht man eine Finanzierung. Nur bei uns macht man das umgekehrt, das ist doch Schwachsinn! Es ist fahrlässig, wenn nicht vorsätzlich, wie man die Miliz vernachlässigt. Und der Dienstgeber berücksichtigt nicht, welche Konsequenzen das für die 22.000 Beschäftigten beim Bundesheer hat. Wenn man die Versäumnisse auf dem Rücken der Kollegen und Kolleginnen aus dem Verteidigungsressort austragen will, dann können sie mit der gesamten solidarischen Kraft der Gewerkschaft öffentlicher Dienst - und zwar aller Gruppen - rechnen. Die sind eh schon gebeutelt: Da war die große Zilk-Reform, bei der die Tinte kaum trocken war, und man hat die nächste Reform gemacht ...

STANDARD: ... und einen Sozialplan ...

Neugebauer: Ein Sozialplan ist das Letzte, was wir jetzt brauchen können. Die Leute wollen ja arbeiten - und es gibt ja die Notwendigkeiten der Landesverteidigung. Wir haben keine Freude, dass sich die Koalitionsregierung über die Perspektive zur Landesverteidigung nicht einigen kann. Was militärisch sinnvoll ist, das muss man zahlen!

STANDARD: Sie drohen mit gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen ...

Neugebauer: Das wird deutlich bemerkbar sein! Das kann man nicht durchgehen lassen, wenn man Leute rausschmeißen oder in Frühpension schicken will. Oder was man hört: dass man Zulagen einfach streichen könnte. Das ist undenkbar und ist mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers unvereinbar, auch in Reformzeiten!

STANDARD: Wobei so eine Ansage ein paar Tage vor der Personalvertretungswahl halt auch der Mobilisierung dient?

Neugebauer: Ich kann nix dafür, dass die Regierung da nichts weiterbringt. Ich sage das vor einer Wahl, ich sage das nach einer Wahl: Da geht es um Menschen.

STANDARD: Zu den Reformen gehört aber immer auch eine Aufgabenkritik - nicht nur beim Heer. Es gibt halt viele Gesetze, die punktgenau vollzogen werden müssen. Haben wir zu viele Regelungen?

Neugebauer: Ich war lange genug im Parlament, um zu wissen, dass die Gesetzgebung detailverliebt ist. Und gibt es auf der Tagesordnung einmal keinen Gesetzesbeschluss, dann schreibt irgendein Schmierblattl: "Die arbeiten nix".

STANDARD: Jeder Beschluss bringt aber mehr Arbeit für den öffentlichen Dienst.

Neugebauer: Die Detailverliebtheit bringt unglaublich viel bürokratischen Aufwand. Man sollte bei jedem Gesetzesvorhaben nicht nur die Kosten, sondern auch den absehbaren Personalaufwand dazuschreiben. Sich bei den Regelungen zurückzunehmen, bestehende Regelungen mit dem großen Kamm zu durchforsten und aufzuheben, das wäre ein gutes Signal.

STANDARD: Es wäre ja schon gut, gäbe es mehr Transparenz. Aber vieles ist ja immer noch ein Amtsgeheimnis.

Neugebauer: Ohne über das Anliegen selbst zu urteilen, möchte ich nur festhalten: Wenn dann die Behörden neben den schon jetzt zu beantwortenden parlamentarischen Anfragen - wo man auch tagelang Material zusammentragen muss - allen Interessierten Auskünfte im Detail geben müssen, dann muss man wissen, dass das einen Gutteil der Arbeitskraft in den Ministerien bindet.

STANDARD: Wie kann man denn die Auskunftspflicht überhaupt regeln? Soll jeder öffentlich Bedienstete einfach auf jede Anfrage antworten, was über seinen Schreibtisch geht?

Neugebauer: Wenn das in Begutachtung geht, werden wir erstens auf die Kapazitäten hinweisen müssen - und zweitens auf Normen, damit der einzelne Mitarbeiter nicht übrigbleibt. Kann man überhaupt gleiche Auskunftsgüte normieren? Wie das Juristen fassen, da bin ich gespannt! (Conrad Seidl, DER STANDARD, 22.11.2014)